Romantik auf den Schienen

Jeder Mensch hat Rituale – Dinge, die er immer wieder tut. Ein festes Ritual bei mir. Morgens setze ich mich noch mit einer Tasse Kaffee vor den Fernseher und schaue mir an (Videotext oder Nachrichten), was über Nacht oder seit dem Vortag passiert ist. Beim SWR tue ich das meist, wenn gerade die Sendung Eisenbahn-Romantik läuft.

Anfang der Woche begann just im Moment der Senderwahl ein Film über das legendäre Saufbähnchen, das bis in die 1960er Jahre zwischen Trier und Bullay verkehrte. Ich habe den Schwarz-Weiß-Streifen schon mehrfach gesehen, er fasziniert mich aber immer wieder aufs Neue. Neben den bewegten Bildern ist es ein Satz: Der Fahrplan gleicht einer Reise durch die Weinlagen. Es war eine andere Zeit.

Die Reise von Bernkastel-Kues dauerte bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 27 Kilometern etwa zwei Stunden (einfache Fahrt). Mein Vater ist jahrelang mit der Bahn nach Trier gefahren, war also vier Stunden am Tag auf der Schiene unterwegs. Jeden Tag vorbei an berühmten Weinlagen. Irgendwann wird der normale Fahrgast das nicht mehr gesehen haben. Wie er sich die Zeit vertrieben hat? Ich weiß es nicht. Ob da zumindest auf der Fahrt in en Feierabend gesoffen wurde, wie es der Spitzname der Bahn suggeriert? Überliefert ist, dass manche Lokführer abends nicht mehr ganz nüchtern waren. Heute lacht man drüber. Na ja. Bei der Durchschnittsgeschwindigkeit und dem überschaubaren Verkehr auf der Straße konnte nicht viel Schlimmes passieren.

Heute werden manche stillgelegten Strecken wieder reaktiviert - zumindest als Museumsbahn. Das wird an der Mosel nicht passieren. Schade, eigentlich. Eine solche Bahn wäre heute eine Attraktion für die Menschen. Eine Weinprobe im Zug bei der Fahrt entlang der Weinberge: Das hätte was!

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