Trocken, lieblich – süß, sauer

„Trocken oder lieblich“, so lautet häufig die Frage des Kellners bei der Weinbestellung. Die Frage ist nicht besonders geschickt, deutet sie doch auf eine gewisse Unkenntnis hin. Aber: Es gibt sie, die ausgewiesenen Freunde lieblicher Gewächse und Weintrinker, die nur auf trocken stehen.

Es gab Zeiten - lang ist's her - da war eine solche Frage überflüssig. Lässt man nämlich den Traubenmost so lange gären - und das war früher die einzige Praxis - bis sämtlicher Zucker zu Alkohol vergoren ist, schmeckt der Wein trocken. In schlechten Jahren, wo die Trauben wenig Zucker, dafür umso mehr Säure heben, wäre der Begriff sauer allerdings angebrachter.

Erst die moderne Kellertechnik machte es möglich, süße und dennoch haltbare Weine zu produzieren. Mit dem Einsatz von Sterilfiltern konnte man alle Hefepilze aus dem Wein herausfiltern. Bekanntlich wandeln Hefepilze den Zucker in Alkohol um. Sind aber keine Hefen mehr da, bleibt der Wein stabil - auch wenn er süß ist.
Man muss aber noch auf eine Besonderheit hinweisen, denn das mit der Weingärung ist nicht ganz so einfach. In sehr guten Jahren bringen die Trauben von Spitzenlagen so viel Zucker mit, dass der Wein von selbst zu gären aufhört, bevor der ganze Zucker vergoren ist. Der Wein ist in der Gärung "stecken geblieben".

Aber wie gesagt: Mit der modernen Kellertechnik sind heute alle Geschmacksrichtungen möglich: von trocken über halbtrocken, feinherb, süß bis edelsüß. Das führte in den 50er und 60er Jahren zu der süßen Weinwelle. Auch einfachste und immer billigere Weine, für die es eine enorme Nachfrage gab, wurden kundengerecht süß "ausgebaut".

Ich bin im Übrigen kein ausgewiesener Trocken- oder Lieblich-Fan. Ich mag beide Geschmacksrichtungen. Entscheidend ist die Qualität - und die hat nichts damit zu tun, ob der Wein süß oder herb schmeckt.

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