Blendende Show im Assessment-Center

Assessment-Center sind zuverlässig. Die Szenerie gleicht einer Talkshow: Fünf Menschen sitzen im Kreis, fuchteln mit den Händen und diskutieren sich die Stimmbänder heiser. Eine Gruppendiskussion im Assessment-Center (AC). Dieser Parcours aus Einzel-, Partner- und Gruppenübungen gilt als professionellster Weg der Bewerber- und Führungskräfte-Auswahl. Doch wer bekommt am Ende den Zuschlag? Wirklich der beste Kandidat?

 Martin Wehrle.Foto: privat

Martin Wehrle.Foto: privat

Oft der beste Schauspieler! Denn alle wissen, dass sie sich auf einer Bühne befinden. Wölfe fressen Kreide, Stummen wachsen Zungen, und jeder Chaot gibt sich als Ordnungshüter. Erst im Alltag fallen die Masken. Professor Heinz Schuler von der Universität Hohenheim, Deutschlands Experte Nummer eins, watscht die Assessment-Center ab: So dilettantisch würden sie oft vorbereitet, so schlampig durchgeführt und so inkompetent geleitet, dass einfache Einstellungsinterviews zuverlässiger wären. Vor allem gehen die Übungen meilenweit an den Anforderungen der Stellen vorbei: Warum sollen Kreative eigentlich durch Ordnungssinn (Postkorb-Übung), Forscher durch Rhetorik (Gruppendiskussion) und Manager durch das Sozialverhalten von Betschwestern (Rollenspiele) glänzen?
Bereiten Sie Ihren Bühnenauftritt gründlich vor! Üben Sie die Gruppendiskussion mit Freunden, indem Sie über ein kontroverses Thema debattieren! Danach analysieren Sie Ihr Verhalten! Moderieren Sie das Gespräch, arbeiten Sie Wichtiges heraus (Kommunikationsfähigkeit)! Schlagen Sie Kompromisse vor, vollziehen Sie andere Ansichten nach (Soziales und konstruktives Verhalten)! Können Sie andere für Ihre Ideen gewinnen, lassen Sie sich das Wort nicht nehmen (Durchsetzungsfähigkeit)? Bleiben Sie am Ball, konzentrieren Sie sich aufs Wesentliche (Zielstrebigkeit, Durchhaltevermögen)! Durch Selbstreflexion und Rückmeldungen der Übungspartner können Sie an Ihrem Auftritt feilen. Denn ohne - im wahrsten Sinne - blendende Show geht im unzuverlässigen Assessment-Center leider gar nichts …

Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: der Bestseller "Ich arbeite in einem Irrenhaus" (Econ, 14,99 Euro).

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