Das Ende der Kittelschürze

Im Dino-Film "Vergessene Welt: Jurassic Park" müssen die Protagonisten auf eine einsame Insel fahren, um zu merken: Etwas hat überlebt. Im Alltag reicht es schon, über einen Wochenmarkt zu schlendern. Mit etwas Glück begegnet man dort dem Dinosaurier unter den deutschen Kleidungsstücken - der Kittelschürze.

Das Ende der Kittelschürze
Foto: dpa

Die gefährliche Eleganz des Velociraptors sucht man bei ihr allerdings vergeblich. Sie strahlt eher die Behäbigkeit eines Brontosauriers aus (der mit psychedelischen Blumen- und Streifenmustern bepinselt wurde). Und jedes Mal, wenn ich dieses Relikt aus einem Land vor unserer Zeit sehe, frage ich mich: Wer kauft das nur?

Inzwischen weiß ich es. "Es ist meine Mutter", schrieb mir nämlich neulich TV-Leserin Gisela Neyses aus Meckel. Ihre 90-jährige Mutter schätze die praktischen Eigenschaften dieses Kleidungsstückes. Sie fühle sich "blaakisch" ohne Schürze - und selbst wenn sonntags (aber nur sonntags!) Besuch kommt, ziehe sie sie widerwillig aus ...("Eich kaan doch en weiß undohn", sage sie dann.)

Die Mutter habe immer ein kleines Taschenmesser in den Schürzentaschen, ein Taschentuch, oft ein Stück Seil, um im Garten etwas aufzubinden, und dann noch den Geldbeutel (damit der Bäcker nicht so lange warten muss). Je nach Gesundheitszustand auch ein Hustenbonbon. Das alles ersetze auch die Handtasche.
"Sie sehen also, so eine Kittelschürze ist unschlagbar", schreibt Gisela Neyses, die selbst allerdings keine trägt. Ich übrigens auch nicht, obwohl ich einsehe, dass das bei der Haus- und Gartenarbeit praktisch sein könnte. Nur: Wer hat schon Zeit für Haus- und Gartenarbeit?

Frauen stehen heute ihren Mann und ziehen sich dafür was Hübsches an. Sie müssen auch nicht mehr alleine putzen. Männer und Staubsauger helfen. Frau muss ihre Kleidung auch nicht mehr schützen. Schließlich gibt es Waschmaschinen und Fleckenweg.

Kurz: Die Hausfrau und die Kittelschürze sind vom Aussterben bedroht. Anders als im Falle der Dinosaurier (ich wollte eigentlich Paläontologin werden) finde ich das okay.
Katharina Hammermann

Deutschland steckt voller Rätsel. Meist merkt man es gar nicht, weil man es nicht anders kennt. Man zapft blasenfrei, ohne sich zu fragen, was das soll. Man geht zum Arzt und wartet brav, obwohl man doch einen Termin hatte. Und wer kauft nur all diese Kittelschürzen? "Katharina staunt" - die Kolumne unserer Chefreporterin Katharina Hammermann.

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