Der Gesetzgeber muss handeln

Prostituierte zu sein bedeutet in Deutschland, einen Beruf zu haben wie alle anderen. So will es das Gesetz.

Und im Prinzip ist es eine hübsche Idee, die die rot-grüne Bundesregierung hatte, als sie ihr Prostitutionsgesetz 2001 verabschiedete. Ist doch eine feine Sache, Frauen mehr Rechte und mehr Freiheit zu geben. Zumindest, wenn man davon ausgeht, dass Sexarbeiterinnen ihren Job ebenso gerne wie freiwillig machen und zwar als selbstbewusste Geschäftsfrauen, die um ihre Rechte ebenso wissen wie um die Risiken. Frauen, die - befreit von dem Stigma, etwas Sittenwidriges zu tun - nun freudig ihr neues Recht nutzen, sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu werden.

Wäre da nur nicht immer diese lästige Realität. Und die ist - selbst wenn die Prostituierten ihren Job freiwillig machen - weit davon entfernt, schön zu sein. Zwar hat das liberalisierte deutsche Rotlichtmilieu einen enormen Zustrom ausländischer Sexarbeiterinnen erlebt. Doch feste, sozialversicherungspflichtige Stellen gibt es elf Jahre nach Einführung des Gesetzes kaum. Die "Mädchen" rotieren. Eine Woche Berlin. Eine Woche Bitburg. Frischfleisch ist angesagt. Und so bieten die Clubs der Region jede Woche neue "Girls", über deren Service und die (erschreckend niedrigen) Preise man sich im Internet genauestens informieren kann. In Listen, die ebenso lang wie skurril sind. Listen, die zeigen, dass es für viele Prostituierte keine Tabus mehr gibt. Ist der Konkurrenzdruck doch groß. Kein Wunder: Selbst im beschaulichen Trier gibt es Flatrate-Sex mit mehreren Frauen ab 99 Euro. Gleichzeitig werden die Wünsche der Freier immer spezieller. "Französisch" ohne Kondom ist Standard. Und der gefährliche Wunsch nach ungeschütztem Verkehr offenbar weit verbreitet.

Ist die Pornoindustrie schuld? Oder der medizinische Fortschritt? Gibt das Ansteckungsrisiko den Männern einen Kick? Oder sind sie einfach dumm? Fest steht: Was sie tun, ist asozial. Nicht nur, weil sie sich selbst und damit möglicherweise ihre Partnerinnen gefährden, sondern auch, weil sie die Lage jener Prostituierten ausnutzen, die leider so überhaupt nicht zu dem hübschen Bild passen, das die Bundesregierung sich 2001 ausgemalt hatte.
Vielleicht sind die Frauen aus den ärmlichen Verhältnissen in ihrem Heimatland Bulgarien oder Rumänien geflohen, um als Prostituierte ein besseres Leben anzufangen. Vielleicht wurden sie aber auch unter falschen Versprechungen hergelockt und zur Prostitution gezwungen. Wer weiß das schon. Statistiken geben darüber jedenfalls keine Auskunft. Viele dieser Frauen sprechen kein Wort deutsch, haben keine Ahnung von Verhütung oder von gesundheitlichen Gefahren und sind offenbar bereit, für Geld große Risiken einzugehen. Anders als von jemandem, der in Deutschland Pommes verkaufen will, verlangt von ihnen auch niemand, dass sie sich um ihre Gesundheit kümmern.

Für sie wird das liberale Gesetz zum Freischein ins Unglück. Anderen hat es die Preise versaut. In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen sollte man darüber nachdenken, wie viel Freiheit unter Rotlicht gesund ist.
k.hammermann@volksfreund.de

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