Die Woche im Blick Der kleine Neustart

Trier · Eine Mannschaft, die zusammenhält, die verteidigt, die nicht mehr die Überheblichkeit des WM-Turniers aus­strahlt nach dem Motto „Wir schaffen es als Weltmeister auch mit 75 Prozent“ – dieses Bild bot die Fußball-Nationalmannschaft in ihrem ersten Spiel nach dem Debakel in Russland.

 Chefredakteur Thomas Roth

Chefredakteur Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Applaus für ein 0:0 gegen den neuen Weltmeister Frankreich – der viel beschworene Neustart ist geglückt, zumindest wenn es nach den Reaktionen in der Münchner Arena geht.

Doch war das nun ein Aufbruch? Wohl nur, wenn der Blick sich auf Einsatz und die oft genannte Stabilität richtet. Joachim Löw vertraute den bekannten Spielern, wagte wenig mehr, als auf Sicherheit zu setzen. Kein Neuling in der Startelf, eine Viererkette ohne Offensivdrang.

Da ist es wenig überraschend, dass sich im Gegensatz zur WM eines besserte: Es gab kein Gegentor. Und eines doch beim Alten blieb: Das DFB-Team schießt schlichtweg zu wenig Tore. Um nicht gleich als Miesmacher eingeordnet zu werden: Natürlich ist ein Unentschieden gegen Frankreich kein Grund zum Jammern, vielleicht sogar ein Achtungserfolg. Aber ob Löw wirklich der richtige für den Umbruch ist, das wird sich erst in den nächsten Monaten weisen. Immerhin: Bei den Anhängern steigt die Stimmung wieder.

Steigt damit die Stimmung im Land ebenso? Immerhin gab es während der WM genügend Vergleiche zwischen dem angeblich so wenig schwungvollen Deutschland und dem Abschneiden des Teams, sogar zwischen der Kanzlerin und dem Bundestrainer. Zugegeben: Das war und ist eher ein journalistisches Spielchen als eine ernsthafte Tiefenanalyse unseres Landes, aber wenn das Spiel gestern eines gezeigt hat, dann zumindest, dass es vorwärts geht, wenn alle zusammenhalten.

Und vielleicht ist genau dies in unserer Gesellschaft ebenfalls am wichtigsten. Dazu: die Toleranz von Fehlern, übrigens auch die Toleranz von anderen Meinungen in aufgeheizten Zeiten. Das heißt mit dem Blick auf die Politik und uns alle keineswegs, Hetze und Extremismus zu dulden. Da darf es in keine Richtung Milde geben.

Das heißt aber doch, miteinander ins Gespräch zu kommen, wo immer es geht: Zusammenhalt beim Kampf um die demokratischen Tugenden und Grundrechte wie Meinungsfreiheit, aber auch die unantastbare Würde aller Menschen – selbstverständlich unabhängig von der Nationalität, selbst wenn das leider explizit erwähnt werden muss.

Zurückhaltung bei der schnellen Zuordnung in bestimmte alte Bilder von rechts und links. Und Offenheit für Antworten und Aussagen, die einem selbst möglicherweise nicht gefallen. Diskussionen Ja, Diffamierungen Nein.

Und vielleicht ist es dann doch die passende Zeit für einen Neustart, nicht nur beim Nationalteam. Es geht darum, unsere Gesellschaft nicht weiter zu spalten. Nicht in politische Lager, schon gar nicht in gute und böse, sondern zu vereinen: in die große Masse derer, die wissen, dass die Demokratie und die soziale Marktwirtschaft bei all ihren Schwächen immer noch die besten Chancen für die Menschen in unserem Land bieten.

t.roth@volksfreund.de

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