Der Mensch, die Nummer

Manchmal geht politische Korrektheit einfach zu weit. Ja, die Amerikaner machen es seit Jahren, die Schweden, Schweizer und Franzosen probieren es gerade aus; und demnächst will auch Familienministerin Kristina Schröder damit anfangen: In ihrer Behörde werden dann nur noch anonymisierte Bewerbungen ohne Namen, Foto und Angaben von Geschlecht, Alter, Religion, Adresse und Nationalität akzeptiert.

Damit sollen Diskriminierungen verhindert, die Chancengleichheit erhöht werden.

Nun wird niemand ernsthaft annehmen, dass ausgerechnet das Familienministerium mit Vorurteilen besonders gravierende Probleme hätte. Schröder geht vielmehr beispielhaft voran, um Unternehmen auf den rechten Weg zu bringen.

Aber was so gut und gerecht klingt, ist aus Praxis-Sicht der reinste Unfug.

Bewerbungen enthalten neben Anschreiben und Lebenslauf eben auch Zeugnisse, die genaue Auskunft über die meisten der zuvor verschwiegenen Merkmale enthalten.

Spätestens beim Vorstellungsgespräch wird der potenzielle Arbeitgeber sehen können, ob es sich um Mann oder Frau, Alt oder Jung, Deutsche oder Bewerber mit ausländischen Wurzeln handelt.

Und selbst wenn das nicht so wäre, spielt bei Stellenbesetzungen ja nicht nur die fachliche Qualifikation eine Rolle, sondern auch die Frage, wer am besten ins Team passt. Bei einer Vorauswahl, die ohne persönlichen Eindruck getroffen werden muss, werden aus Menschen Nummern.

Es ist unbestritten, dass es Bewerber mit einem türkischen Namen hierzulande selbst bei gleicher Eignung deutlich schwerer haben, einen Arbeitsplatz zu finden, als Meiers, Hintzes oder Kunzes. Vorurteilen kommt man aber nicht mit der Zurückhaltung von Informationen bei. Es ist falsch, Unterschiede auszublenden, man sollte sie vielmehr positiv betonen.

Bei Älteren den gesammelten Erfahrungsschatz, bei Migranten zusätzliche Sprachkenntnisse usw. Gerade die Politik hat wie keine andere gesellschaftliche Gruppe die Möglichkeit dazu, sich Gehör zu verschaffen und diese Debatte offensiv zu führen.

Ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren, das zudem noch zwangsläufig so löchrig ist wie beschrieben, ist dagegen nichts weiter als lobheischendes Gutmenschentum und bedeutet Kapitulation vor Intoleranz und Dummheit.

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