Der Rasen ist kein Sommerloch

Der Rock hat dem Rasen den Garaus gemacht – die Liegewiese im Palastgarten ist für die nächsten drei Monate zu zwei Dritteln gesperrt. Das hat in dieser Woche für einige Aufregung in Trier gesorgt.

Nach der Grilldebatte schon wieder so eine Welle um den Palastgarten - ist das gerechtfertigt? Wurde da ein Thema nur von der Presse hochgejazzt, wie einige Internet-Nutzer kritisierten? So einfach ist das nicht. Ein kleiner Einblick in die Abfolge: Am Anfang stand eine simple Presseanfrage des TV an die Stadt. Reporterin Christiane Wolff wollte wissen, wie es nach der Heilig-Rock-Wallfahrt mit der Wiese im Palastgarten weitergeht. Auslöser waren die Bagger, die in der Nach-Wallfahrts-Woche dort anrollten und den Kies entfernten. Die Beantwortung der Anfrage dauerte bis zum vergangenen Montag. Für den TV war die Antwort so wichtig, dass wir das Thema zum "Aufmacher" machten, also zum wichtigsten Artikel im Trierer Lokalteil. Auch der Stadt selbst war der Palastgarten übrigens wichtig, denn aus der Antwort auf die TV-Anfrage wurde auch ein Artikel auf Seite eins der Rathauszeitung. Dann kochte die Debatte hoch - im Internet, wo die entsprechenden Berichte teils bereits am Montag zu lesen waren. Das verwundert nicht. Schließlich sind die Palastgarten-Liegewiesen-Nutzer überwiegend Schüler und Studenten - und die kommunizieren ja gerne mittels der sozialen Netzwerke. Tenor der Debatte: Empörung darüber, dass die Sperrung so lange dauern muss und dass es keinen schnelleren Weg gibt, die Wiese wieder herzustellen. Zum Beispiel mit Rollrasen. Dass das Thema es dann gleich noch einmal zum Trierer Aufmacher schaffte, lag genau an diesen Reaktionen. Und an den Reaktionen der Politik. Schon am Dienstagabend erreichte die Redaktion ein Antrag der SPD-Fraktion, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung zu setzen. Der Piraten-Chef begann eine Spendensammlung für Rollrasen. Und während sich der Trierer CDU-Chef und Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster am Mittwoch via Twitter und Facebook über das angebliche Sommerloch-Thema lustig machte, formulierte sein Parteikollege Thomas Albrecht aus der CDU-Stadtratsfraktion bereits an einem Antrag, der dafür sorgte, dass die Baudezernentin noch am gleichen Tag im Ausschuss Fragen zum Rollrasen beantwortete. Auch Jusos, FDP und Linke verschickten Stellungnahmen zum Palastgarten. Ein Sommerloch-Thema also? Nein. Wer 400 Quadratmeter Garten ums Haus herum hat, eine große Terrasse oder einen Balkon, der kann das vielleicht nicht verstehen, aber: Der Palastgarten als Ort der Freizeitgestaltung ist einer großen Zahl von jungen Leuten in Trier wichtig, weil sie nur wenige Alternativen haben. Wir haben sie als Leser einfach genauso ernst genommen wie Autofahrer, die sich über eine zu lange dauernde Baustelle aufregen oder Eltern, die sich über zu schnelle Autofahrer vor der Schule ärgern. Der Rasen ist kein knochentrocken-hartes Thema wie die städtischen Finanzen, aber es ist für viele Menschen relevant. Das allein zählt. m.schmitz@volksfreund.de

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