Die Kanzlerin, die mit der Opposition regieren muss

Das Wetter passt zur Politik. Die parlamentarische Sommerpause wird von heftigen Gewittern begleitet. Mittendrin: Kanzlerin Angela Merkel. Die erreicht zwar bei den Wählern laut aktuellem ARD-Polit-Barometer so hohe Zustimmungswerte wie nie zuvor, hat aber in den eigenen Reihen mit jeder Menge Widrigkeiten zu kämpfen.

Die Pannen, Fehler und Merkwürdigkeiten bei der Aufklärung neonazistischer Morde drohen sich zu einem Flächenbrand auszuweiten, der neben den Sicherheitsbehörden auch das Innenministerium und damit nicht nur CSU-Minister Hans-Peter Friedrich, sondern auch seinen Vorgänger, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), erfassen könnte. Das sind in einer Zeit, in der sich die Parteien allmählich auf die Bundestagswahl 2013 vorbereiten, keine guten Startbedingungen für die Union. Zudem steht immer noch die Drohung von CSU-Chef Horst Seehofer im Raum, die Koalition platzen zu lassen, wenn er sein auch bei Schwarz-Gelb umstrittenes Betreuungsgeld nicht bekommt. Seine Profilierungsversuche gegenüber Berlin sind laut Umfragewerten bisher allerdings ins Leere gelaufen. Diese Woche setzte Seehofer eine neue Warnung obendrauf: Sollten in der Finanz- und Euro-Krise weitere finanzielle Zugeständnisse an Schuldenstaaten gemacht werden, will die bayerische Regierung nicht mehr mitspielen. Stein des Anstoßes sind die EU-Gipfelergebnisse, in denen Italien und Spanien der Kanzlerin entgegen vorheriger Absprachen handstreichartig eine Aufweichung des harten deutschen Spardiktats abgetrotzt hatten. Und obendrein begehrt wieder einmal der Berliner Kreis auf. Die CDU-Konservativen, die die Kanzlerin immer dann attackieren, wenn sie diese geschwächt glauben, kündigen für August eine als Gründungsmanifest titulierte Protestnote gegen Merkels Modernisierungskurs an. Bei dem wichtigsten aller Themen, der Euro-Rettung, hat Merkel bereits keine Kanzlermehrheit mehr. 24 Abgeordnete aus den eigenen Reihen stimmten vergangene Woche im Bundestag gegen den dauerhaften Rettungsschirm (ESM). Dass Merkel die erforderliche Zweidrittelmehrheit dennoch mühelos erreichte, verdankt sie der Unterstützung und Geschlossenheit der beiden Oppositionsparteien SPD und Grüne. Angesichts der in sich so zerrissenen schwarz-gelben Koalition ist die Kanzlerin bei weiteren Abstimmungen über die Zukunft Europas also immer stärker auf Rot-Grün angewiesen. Statt mit ihrem stärksten Pfund, einer in der Gesellschaft hoch respektierten Regierungschefin zu wuchern, deren Beliebtheitswerte gerade in schwierigen Zeiten wachsen, setzen Teile des schwarz-gelben Bündnisses alles daran, Merkel zu beschädigen. Wie borniert ist das denn?!

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort