Die Panik der Paschas

Standpunkt · Als ich dieser Tage in einem Zeitungsartikel las, dass das ultra-konservative Saudi-Arabien Städte nur für Frauen bauen lässt, damit diese überhaupt eine Beschäftigungsmöglichkeit am Arbeitsmarkt erhalten, ohne männliche Kreise zu stören, dachte ich noch, wie gut es uns Frauen doch im freien Westen geht.

Ich dachte an eine Gesellschaft, die sich, wenn auch langsam, an neue Rollenmodelle herantastet. Bis ich auf die Titelgeschichte der Wirtschaftswoche unter der Überschrift "Karriereknick. Wie die Frauenquote schon jetzt Männer blockiert" stieß. Tenor des Beitrags: Allein angesichts der politischen Diskussion in Berlin und Brüssel um eine Frauenquote in den Chefetagen der Wirtschaft geraten Unternehmen in Panik. Es ist die Rede von verzweifelten Abteilungsleitern, deren Boni gekürzt werden, wenn sie bei Beförderungen oder Neueinstellungen die von den Firmen (noch) selbst gesetzte Quote nicht erreichen. Schluchz. Personalberater suchen angeblich seit Monaten nur noch Frauen, weil Unternehmerverbände fürchten, die Frauenquote könnte zum Wahlkampfthema gemacht werden. Ein erfahrener Geschäftsführer entdeckt plötzlich ,,eine stetig wachsende Gruppe nachhaltig enttäuschter Manager", männliche Bewerber resignierten ob ihrer geschmälerten Chancen, und eine Headhunterin warnt vor einem Aktionismus, der in inkompetente Besetzungen münden könnte. Konzerne sollen sich sogar Rechtsgutachten einholen, wie weit sie bei der Frauenförderung gehen können, damit aufstiegswillige, aber nicht zum Zuge gekommene Männer sie nicht wegen Diskriminierung auf Schadenersatz verklagen können. Hätten in der Vergangenheit all die abgewiesenen oder gar nicht erst in Erwägung gezogenen Frauen aus denselben Gründen geklagt, wäre manche Firma heute vermutlich pleite. Und natürlich waren all die Jahre die Chefposten nur mit hochkompetentem Personal besetzt - wie es uns die Bankenkrise ja deutlich vor Augen geführt hat. Wer sich schwer tut, geeignetes weibliches Spitzenpersonal zu finden, definiert Anforderungen ja vielleicht auch nur aus einem sehr begrenzten Erfahrungsmuster heraus, sucht nach männlichen Profilen in Frauengestalt. So kann das sicher nicht funktionieren. Was mich am Quotenstreit aber besonders stört, ist die Fokussierung auf persönliche Karrieren. Schenken wir uns einmal die Gerechtigkeitsdebatte. Die hat uns bisher nicht weitergeführt. Sträflich vernachlässigt werden im öffentlichen Diskurs dagegen Unternehmenskultur und -erfolg, Mitarbeiterführung und die Gestaltung einer Arbeitswelt, die sich angesichts neuer Technologien, neuer Kommunikationsformen und demografischer Faktoren noch weiter erheblich verändern wird. Geschlossene Männerzirkel, in denen Krokodilstränen vergossen werden, wenn ein weiblicher Eindringling droht, sind aus der Zeit gefallen. Wir reden ja wohlgemerkt nicht über ein Fifty-fifty-Modell, sondern gerade mal über Werte zwischen zehn und 30 Prozent. Wie - bitteschön - wollen Manager, die sich an ihre Pfründe klammern und Angst vor weiblicher Konkurrenz haben, Unternehmen zukunftsfit machen? Wie gehen diese Spitzenkräfte mit Problemen um, die außerhalb des eigenen Egos liegen? Welche Manager braucht das Land: Wandelnde Anachronismen oder vielleicht doch neugierige, offene, innovative Menschen, die sich auf Herausforderungen freuen? In diesem Falle stellte sich die Quotenfrage gar nicht. Isabell Funk, Chefredakteurin

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