Die Tragödie der anderen

Man muss nicht einmal fromm sein, um Papst Franziskus recht zu geben, wenn er auf der italienischen Flüchtlingsinsel Lampedusa von der Globalisierung der Gleichgültigkeit und unserer Abschottung gegenüber dem Elend spricht. Die Welt sah zu und nickte eifrig.

Aber das war dann eigentlich auch schon alles. Ja, die Bilder und Nachrichten von gestrandeten oder ertrunkenen Migranten sind schrecklich. Die Zahlen aus dem gerade veröffentlichten Jahresbericht der Vereinten Nationen, wonach aktuell mehr als 45 Millionen Menschen aus Kriegs- und Hungergebieten fliehen, sind schlimm. Solche Tragödien sind meist zu weit entfernt, um uns länger zu beunruhigen. Als im vergangenen Monat Asylbewerber auf dem Münchner Rindermarkt in den Hungerstreik traten, um ein Bleiberecht zu erzwingen, rückte uns die Verzweiflung anderer schon ein wenig näher auf die Pelle. Das Camp wurde von der Polizei aufgelöst - und verschwand aus unserem Gedächtnis. Dass von den sieben Milliarden Menschen weltweit fast eine Milliarde hungern - wie ungerecht. Dass die Lebensgewohnheiten in den Industrieländern und die Strukturen des globalen Handels mit eine Ursache für diese Hunger-Katastrophen sind - wie bedauerlich. Dass in den Industrienationen ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen wird - wie jammerschade. Aber der Fingerzeig des Papstes wird weder die internationale Politik noch unser persönliches Verhalten verändern. So hat beispielsweise Deutschland als eine der reichsten Nationen der Erde ganz andere Probleme. Wir sind laut einer neuen Studie (mal wieder) Europas Sorgenmeister. Wir fürchten am meisten Arbeitslosigkeit und Inflation, wir machen uns Kummer um die Rente, die wirtschaftliche Stabilität und die Bildungspolitik. Wir haben doch wirklich Grund zum Klagen. Isabell Funk, Chefredakteurin

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