Die wahre Rolle des Arbeitnehmers

Arbeitnehmer sind auf ihren Arbeitgeber angewiesen – nicht umgekehrt. Die Firma der König, der Mitarbeiter der Bettler: Dieses Bild wird immer noch gepflegt, von Unternehmern, die allzu herrisch, und von Mitarbeitern, die allzu unterwürfig sind. Als wäre es ein Gnadenakt, überhaupt eine Anstellung zu bekommen. Aber: Wer braucht eigentlich wen?

 Martin Wehrle.Foto: privat

Martin Wehrle.Foto: privat

Das Wissen der Firma ist nicht in Protokollen, nicht in Arbeitsplatzbeschreibungen gespeichert, sondern in den Köpfen der Mitarbeiter. Geht einer, geht auch sein Wissen. Womöglich zur Konkurrenz.

Würde ein Dienstleister über Nacht von all seinen Mitarbeitern verlassen - zurück bliebe ein Firmengebäude, keine Firma. Komplett neue Mitarbeiter könnten das Wissen nur unzulänglich rekonstruieren. Der Management-Guru Peter Drucker schrieb in seinem Buch "Umbruch im Management": "In den meisten Organisationen wird (...) immer noch geglaubt (…): Die Mitarbeiter sind viel mehr auf uns angewiesen als wir auf sie. Tatsächlich aber müssen die Organisationen die Mitgliedschaft in ihren eigenen Reihen ebenso schmackhaft machen, wie es bei der Vermarktung ihrer Produkte und Dienstleistungen der Fall ist - wenn nicht sogar darüber hinaus. Sie müssen Menschen anziehen, halten, sie anerkennen und belohnen, Menschen motivieren, sie bedienen und zufriedenstellen."

Toyota, der japanische Autobauer, setzt diese Idee vorbildlich um. So 2002, als die Produktion der LKW-Aufbauten aus Platz- und Kostengründen verlegt werden musste, vom Werk in Long Beach, Kalifornien, nach Mexiko. Eigentlich wären 600 Mitarbeiter arbeitslos geworden. Doch Toyota dachte nicht daran, das über Jahre aufgebaute Wissen auf die Straße zu setzen. Vielmehr stellte man die Produktion in Long Beach auf Motoren um und nahm höhere Kosten in Kauf. So hielt man das Know-how in der Firma und zeigte den Mitarbeitern: Ihr seid wichtig, wir brauchen euch! Sie dankten auf ihre Weise - durch Spitzenleistungen.

Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: der Bestseller "Ich arbeite in einem Irrenhaus" (Econ, 14,99 Euro).

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