Kolumne Eifel-Einsichten Eifel-Einsichten spezial: lauter Treibgut

Was in den vergangenen Tagen so alles an Gedanken angeschwemmt wurde.

Kolumne Eifel-Einsichten
Foto: Fritz-Peter Linden

Pardon, es hat sich viel angestaut in den vergangenen Tagen. Lassen wir es raus, ganz unaufgeräumt.

Hier zum Beispiel, der Andy: Am Sonntag lese ich, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zur Springerpresse gesagt hat, die Krisenstäbe hätten „die Schadenslage fest im Blick“. Das ist beruhigend: Männer, die auf Schadenslagen starren. Bis die, vermutlich, von allein weggehen.

Aber Schluss mit dem Sarkasmus, falsche Zeit. Gut, dass die Krisenstäbe auf die Schadenslagen schauen und nicht der Andy selbst. Hoffen wir für alle, dass er nicht noch aktiv wird. Wer weiß, was uns das wieder kosten würde.

Ich frage mich, ob ich mir von einem angeschwemmten Balken einen fetten Krisenstab absägen soll. Falls ich eine von den Arschgeigen erwische, die bei den überschwemmten Leuten die Sachen vom Gelände klauen.

Ich sagte es schon an anderer Stelle: Was es in der Eifel offenbar an Lastern, Kippern, Treckern, Ladern, Baggern gibt, man glaubt es kaum – aber wo kriegen die denn den Sprit her, wenn die Hälfte der Tankstellen kaputt ist? „Wir fahren nach Olzheim oder Schönecken“, sagt der Prümer Stadtchef Johannes Reuschen. Außerdem habe er Horst Backes angerufen. Und der habe dann sofort eine mobile Tankstelle vorbeigebracht – „toll“, sagt Johannes. Sag ich auch.

Noch unfassbarer natürlich, wie viele Leute in diesen Tagen überall anpacken. Auch das greift dir ans Herz. Und wie freundlich alle zueinander sind. Fast denkst du: Wird Zeit, dass sie sich wieder angiften, wie früher. Dann wüsste man wenigstens: alles wieder normal.

Apropos Leute: Du fährst und stiefelst durch die Gegend und siehst all die Menschen, die da in und vor und hinter ihren zerschlammten Häusern arbeiten und weißt: Da müsstest du jetzt anhalten. Zu ihnen gehen. Ihnen die üblichen Reporterfragen stellen: „Wie schlimm ist es bei Ihnen? Bestimmt schlimm…“ Aber ich glaube, sie wollen in Ruhe gelassen werden.

Trotzdem immer wieder das Gefühl der Unzulänglichkeit: Jetzt warst du wieder nicht überall. Du hast nicht über alles berichtet. Du hast dich nicht gekümmert. Jetzt, wo es darauf angekommen wäre.

Das immer gleiche schlechte Deutsch, mit dem verkündet wird, dass sich Politiker „ein Bild von der Lage verschaffen“. Natürlich „vor Ort“. Ein Begriff aus der Bergmannssprache. Wer „vor Ort“ ist, der ist praktisch am tiefsten Grubenpunkt. Egal. Und Bergmänner gibt’s auch keine mehr. Aber Stollen, die einstürzen.

Die Bilder, die man gar nicht erst macht: Du kommst an so vielen Stellen vorbei, an denen du denkst: Meine Güte. Und fährst weiter, ohne Foto, weil du schon so viele Bilder hast, die alles bisher Fotografierte in den Schatten stellen.

Und die Bilder, die du tatsächlich gemacht hast? Die Artikel, die du geschrieben, gepostet, gedruckt hast? Wahrscheinlich hast du damit genau jene Typen hergelockt, die der Meinung sind, „mal gucken fahren“ zu müssen, wie es in den Katastrophengebieten aussieht.

Man möchte sie mit einem dicken Feuerwehrschlauch wegspritzen.

Das hier hat es noch nie gegeben, das ist die schlimmste Wetterkatastrophe aller Zeiten in unserem Teil der Eifel. Hast du gedacht. Und nachdem du das dachtest, siehst du die Bilder aus Schuld. Aus Insul. Aus Bad Neuenahr. Aus Erftstadt-Blessem. Aus Schleiden-Gemünd. Aus Bad Münstereifel.

Und selbst die, die hier im Dreck stehen, weil sie so schwer getroffen wurden, sagen einen, zwei Tage später: Wir hatten ja noch Glück. Bei den anderen ist alles noch viel schlimmer.

Der Beweis: Der analoge TV kann noch richtig nützlich sein.

Der Beweis: Der analoge TV kann noch richtig nützlich sein.

Foto: Gabriel Nosbüsch

Und dann der Gedanke: Das Allerschlimmste mag vorüber sein. Aber jetzt beginnt ja erst das wirklich Zermürbende: die Zeit, in der sich alles so elend hinzieht, in der sie immer wieder zurückgeworfen werden, in der sie nicht wissen, ob sie das noch einmal hinbekommen. In der sich viele allein fühlen werden und sich jeden Morgen fragen, wie es nun weitergehen soll. Obwohl sie ja alle gesagt haben: Es muss weiter gehen.

Am Montag geht mir kurz das Herz auf. Gabriel Nosbüsch von der Feuerwehr Lambertsberg hat geschrieben, wie sie dort ausgezogen sind, um zu helfen. Und ein Foto dazugetan. Denn er hat, wie er sagt, „noch was gefunden, was nur der analoge Volksfreund kann“. Stimmt! Siehe Beweisfoto.

Am Dienstag bringt die Süddeutsche Zeitung einen Text von Norbert Scheuer. Er berichtet, wie er die Flut in Kall erlebt hat. Dabei, sagt er am Telefon, seien wir Reporter ja viel näher dran als er „hier auf meinem Hügel“.

Aber wenn man seinen Text liest, spürt man, wie nah er dran ist. Und wie gut er die Stimmung einfängt: „Der Fluss hat sich in sein Bett zurückgezogen, seine Zuläufe sind jetzt so unscheinbar wie früher. Aber niemand traut ihnen mehr, die Beweise für ihre zerstörerische Macht sind zu erdrückend.“

Bleibt tapfer.

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Foto: TV/Klaus Kimmling

Fritz-Peter Linden

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