Kolumne Eifel-Einsichten Theorie, bestätigt

Auf meinem Minirundgang heute Morgen riecht es in der gesamten Innenstadt nach Knoblauch. Irgendwer scheint das Zeug kiloweise zu verkochen.

Kolumne Eifel-Einsichten
Foto: TV/Klaus Kimmling

Die Schwaden schlängeln sich penetrant in jede Pore und verleihen meiner friedlichen Morgenmelancholie eine scharf-aggressive Note. Und schon, stelle ich fest, ist diese Kolumne olfaktorisch verdorben.

Zumindest für alle, deren Nase so empfindlich ist wie meine. Oder sagen wir: so knoblauchempfindlich, ich will die Leute nicht vergrätzen, die diese Düfte schätzen. Trotzdem, für die Mitleidenden, schnell das Gegenmittel: Denkt an frisch gemähtes Gras! Taucht gedanklich ein in den nahen Wald und tankt Tannennadelduft! Kiefernrinde! Hach!

Besser? Okay. Was ich sagen wollte: Der Sommer in der Eifel neigt sich seinem Ende entgegen. Nur der Neigungswinkel gefällt mir nicht. Immerhin soll es heute, wenn die Vorhersagen endlich mal stimmen, vernünftig regnen, dann würde auch wieder Gras wachsen, das dann, frisch gemäht, noch besser gegen Knoblauchgeruchsgedanken hülfe. Hälfe. Helfen tät‘.

Jedenfalls: Eines fernen Normalsommers, als die Welt noch sorglos in die Zukunft blinzelte, sah ich mich am Caféterrassentisch plötzlich bedrängt von zirka fünnef Herren. Dürre, drahtige Typen in später Blüte und in kreischend bunter, auf ihre schon historisch zu nennenden Herrenkörper geschweißter Radfahrermontur, die radfahrerschuhklackernd um uns herumbalancierten und ihrem Etappenziel, dem Getränk also, entgegenstrebten.

Das Bild fuhr mir in die Glieder wie ein Metallbolzen, der dir in voller Fahrt in die Speichen geschleudert wird. Wie Knoblauch für die Augen. Und also schwor ich mir: Niemals, obwohl auch du ja ebenfalls dem Verfall schon schmerzhaft und für alle sichtbar ausgesetzt bist, wirst du dich in solche Klamotten quetschen, selbst wenn auch dich noch spät die Lust am Rennradfahren packt (rasch ein Gruß hinüber ins „Lustige Prümtal“, wo morgen hoffentlich Milliuenen sich auf die schöne Strecke machen werden).

Und doch beneidete ich heimlich diese Männer, schienen sie doch kerngesund. Und spochtlich. Und auch ein bisschen lässiger als ich. Als hätten sie mehr Gänge. Und wären besser geölt.

Was mich zu Flann O’Brien bringt, dem irischen Schriftsteller und seinem komplett irren Roman „Der dritte Polizist“. Darin wird nämlich die Theorie aufgestellt, dass Menschen und Fahrräder, je länger sie miteinander unterwegs sind, immer mehr Moleküle austauschen. Sodass am Ende niemand mehr weiß: Was ist Mensch, was ist Maschine? Und manch ein Fahrrad, das unscheinbar  im Schatten lungert, mit Vorsicht zu betrachten ist. Und manch einer, der auf zwei Beinen herumläuft, sich ständig an Wänden festhält, weil er sonst umkippt, da er keinen Ständer hat.

„Wenn man es zu weit gedeihen lässt“, sagt einer auf Seite 117, „dann ist das der Anfang vom Ende. Dann kommen die Fahrräder und verlangen das Wahlrecht, dann bekommen sie Sitze im Landtag und machen die Straßen noch schlechter, als sie ohnedies schon sind, um ihre weitgesteckten Ziele zu erreichen.“

Schimpft mich eine Luftpumpe, aber wenn ihr mich fragt: Es ist schon so weit. Et jit net jerannt.

(PS: Bin zwei Wochen weg. Die brauch ich, um das Grundsteuergedöns auf die Kette zu kriegen.)

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