Eine Kirche, zwei Planeten und die Rolle der Medien

Sie reiten eine Kampagne gegen die Kirche und sind bestrebt, deren Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Sie wollen die Öffentlichkeit durch zurechtgestutzte und verkürzte Berichte über Vorgänge aus alter Zeit manipulieren.

Der Regensburger Bischof Gerhard Müller (Jahrgang 1947) rückt die Berichterstattung über Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in die Nähe der NS-Propaganda. In einem am Sonntag veröffentlichten Hirtenwort rief er dazu auf, "nicht auf all diese Schalmeien wie 1941" hereinzufallen.

Dass Medien sich immer wieder neu der Kritik stellen müssen, ist gesund und normal. Denn auch Medienschaffende verrennen sich zuweilen und brauchen Kontrolle. Dass sie, wenn sie Missstände aufdecken und benennen, wie es ihr Auftrag ist, mit Nazis verglichen werden, eröffnet allerdings eine neue Dimension in der seit Wochen andauernden Debatte um die tiefe Krise der katholischen Kirche.

Es ist nun wirklich nicht mehr besonders originell, dass Journalisten als Überbringer der schlechten Nachricht die Rolle der Sündenböcke zugewiesen wird. Dieser Reflex ist so alt wie die Nachricht selbst. Macht und Prominenz gewöhnen sich eben allzu leicht an Hofschranzen und Claqueure. Solide journalistische Arbeit meint aber das genaue Gegenteil: Distanz wahren, wach sein, Fakten sammeln, dokumentieren und hervorholen, was in Gesellschaft, Politik oder eben auch der Kirche unter den Teppich gekehrt zu werden droht.

Zum Großreinemachen hat sich dieser Tage übrigens auch ein anderer entschlossen:

,,... Aber nur etwas radikal Neues kann die himmelschreiende Not unserer Kirche beseitigen. In der Welt gehen Veränderungen im rasanten Tempo vor sich, in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Medizin und Sexualität. Nur in der Kirche tut sich nichts. Sie ist nach wie vor die absoluteste Monarchie der Welt, in der ein Mann das Sagen hat - und allen anderen wird der Mund verboten.

Was unsere Bischöfe als Lösung anzubieten haben, ist schönfärbende Tünche, Oberflächenkosmetik, erbärmliches Flickwerk "

Diese Worte stammen nicht von einem Journalisten. Der Mann, der da in seiner letzten Sonntagspredigt unter dem Applaus der Gottesdienstbesucher so hart mit der Kirche ins Gericht geht, ist katholischer Pastor. Georg Koch steht seit 25 Jahren der Pfarreiengemeinschaft Betzdorf-Bruche-Scheuerfeld in Rheinland-Pfalz vor. Zuvor war er Jugendpfarrer in Koblenz. Er ist 65 Jahre alt. Am vergangenen Mittwoch hat die Rheinzeitung die gesamte Predigt abgedruckt.

Müller und Koch - zwei Würdenträger und Seelsorger derselben Kirche, derselben Generation und doch offenbar von zwei unterschiedlichen Planeten. Es sind Journalisten, die der Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, beide Botschaften zu bewerten. jöl

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