Empfindliche Pädagogen

Noten gehören zum Lehrerberuf wie der Taktstock zum Dirigenten. Wenn aber Schüler Noten verteilen, reagiert mancher Pädagoge schon mal dünnhäutig.



Deshalb ist nun wieder eine Lehrerin vom Niederrhein gegen das Internet-Portal spickmich.de vor Gericht gezogen. Dort können Schüler - anonym - ihre Lehrer nach fachlicher Kompetenz etwa, Motivation oder sozialer Eignung bewerten.

Die Lehrerin folgte einer Kollegin aus Moers, die mit ihrer Klage bereits vor dem Bundesgerichtshof gescheitert war und nun das Bundesverfassungsgericht angerufen hat. Im aktuellen Fall sieht sich die streitbare Pädagogin in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Kein Wunder, denn die Zensur fiel mit einem schlechten Ausreichend (4,2) streng aus.

Ein bisschen kann ich die beiden Lehrerinnen und ihre wahrscheinlich zahlreichen Sympathisanten ja schon verstehen. Anonymität und Denunziation gehen oft Hand in Hand. Und besonders Kinder und Jugendliche wollen wir doch zu Mut, Geradlinigkeit und Offenheit anhalten.

Auf der anderen Seite ist totale Meinungs- und Informationsfreiheit ja gerade Philosophie und Idee des Internets - Irrtümer, Fehler und falsche Behauptungen eingeschlossen. Das mag man beklagen. Aber vor allem Lehrer sollten doch wissen, in welcher Welt sich ihre Schüler bewegen, wie sie kommunizieren, wie beispielsweise Blogs oder soziale Netzwerke funktionieren. Dort geht's oft viel härter zur Sache als in einem vergleichsweise braven und geregelten spickmich-Portal.

Lehrerschelte ist Volkssport, so lange es Schule gibt. Wie langweilig, wie wenig originell, wie unfair.

Aber wer Gerichte bis in höchste Instanzen mit der eigenen gekränkten Eitelkeit beschäftigt, bedient messerscharf das Klischee vom Lehrer als ewigem Besserwisser und Verbotsplauderer. Ein solcher Mangel an Souveränität schadet dem ganzen Berufsstand nachhaltiger als ein Internet-Portal, von dem jeder weiß, dass da manch ein Schüler nur sein Mütchen kühlen möchte.

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