Die Woche im Blick Es kommt auf die Worte an
Der Grünen-Chef bremst. Zumindest ein bisschen. Robert Habeck hat angekündigt, sich bei Facebook und Twitter zurückzuziehen. Und er liefert in seinem Blog gleich Gründe mit, warum ihm zwei Fehler passiert seien.
Twitter lasse ihn aggressiver, lauter, polemischer und zugespitzter formulieren.
Wir erinnern uns: Habeck hatte den Bayern erklärt, dass bei ihnen bald wieder Demokratie herrsche – mit Blick auf das Ende der CSU-Dominanz. Ganz ähnlich äußert er sich nun Richtung Thüringen: „Wir versuchen, alles zu machen, damit Thüringen ein offenes, freies, liberales, demokratisches Land wird.“ Das Bundesland, in dem die Grünen übrigens mitregieren. Das Bundesland, in dem Habecks Partei stärker als anderswo für gute Ergebnisse kämpfen muss und in dem die AfD deutlich vor ihr liegt.
Vielleicht hat Habeck deswegen einiges verwechselt. Zugegeben: In den sozialen Netzwerken ist der Ton ein rauer, sind Äußerungen und Kommentare eher spontane Zurufe als philosophisch ausgearbeitete Beiträge. Doch keiner hat von Habeck erwartet, auf alles sofort zu reagieren. Gerade die Äußerungen, die er nun als Fehler einräumt, hat er bewusst platziert, nicht als Reaktion. Nicht Twitter ist schuld daran, sondern er selbst.
Habecks Rückzug ist falsch. Der Austausch ist wichtig, selbst wenn er manchmal weh tut. Und die Reaktion des Grünen-Chefs ist – wie seine Äußerungen – übereilt. Und es wird spannend werden: Wird Habeck auf die Zugänge seiner Partei bei Twitter und Facebook ausweichen? Und wo wird der Politiker, der 2018 die meisten Auftritte bei Talkshows hatte, sich noch zurückziehen? Nein, man muss nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Dennoch war die Kritik angebracht. Und Habeck muss nun das Image des Besserwessis wieder loswerden.
Um die richtigen Worte geht es auch in der Debatte um Robert Menasse. Der Schriftsteller ging – zurückhaltend ausgedrückt – mit Zitaten frei um. Dies nicht nur in Romanen, sondern auch in Essays und Interviews. Menasse hat dem verstorbenen Politiker Walter Hallstein Dinge in den Mund gelegt, die dieser so nie gesagt hat. Und er verlegte eine Hallstein-Rede nach Auschwitz. Als Menasse Kritik genervt abtat („Was kümmert mich das Wörtliche, wenn es mir um den Sinn geht“), wurde es für ihn in einem Gespräch mit Malu Dreyer ernst. Die Ministerpräsidentin erklärte danach, sie wolle ihm weiter die Carl-Zuckmayer-Medaille verleihen. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es: „Die (...) Notwendigkeit, Gewissheiten von Annahmen und Fakten von Meinungen zu trennen, ist für das Gelingen einer demokratischen Debatte unerlässlich.“ Passende Worte, doch später stellt sich die Frage, wie ernst es Menasse mit der Selbstkritik ist. Zwar bedauerte er die „Vermischung von Fiktionen mit Äußerungen in europapolitischen Diskussionen“, entschuldigte sich aber nur bei allen, die sich „getäuscht fühlen“. Der Schriftsteller täuschte also nicht, er löste nur bei manchen dieses Gefühl aus. Das ist bemerkenswert wenig an Einsicht in einer sicherlich wohlüberlegten Erklärung – und doch reicht es, um die Medaille bald überreicht zu bekommen.
t.roth@volksfreund.de