Frech wie Klöckner

Da kommt eine daher und macht frech weg Opposition. Opposition, wie es sie in Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren nicht gab.

CDU-Parteichefin Julia Klöckner hat mit ihrem Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Kurt Beck ein politisches Beben ausgelöst, das immer noch nachwirkt. Natürlich war allen von vornherein klar, dass der Antrag an der rot-grünen Mehrheit scheitern würde, aber er bot Klöckner die willkommene Bühne für eine geharnischte Abrechnung mit der Landesregierung. Wie ihre glänzenden Umfragewerte bestätigen, ist ihr Kalkül, gleich ganz groß auf die Pauke zu hauen, aufgegangen: Seht her, die CDU ist wieder da. Nach 21 Jahren relativer Bedeutungslosigkeit. Das war die Botschaft. Die Steilvorlage hatte die rot-grüne Landesregierung mit der Insolvenz des Nürburgrings und dem hilflosen Versuch, Brüssel dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben, allerdings selbst geliefert. Dass Klöckner nicht mit verbalen Zumutungen geizt und mit einer Härte zulangt, die in Rheinland-Pfalz ungewöhnlich ist, bringt ihr mittlerweile den Vorwurf ein, sie isoliere die CDU. Sie vergraule für alle Zukunft einen möglichen grünen Koalitionspartner, wo ein gelber ja immer noch bei nicht bündnisfähigen drei Prozent dümpelt. Aber wie eng war man eigentlich bisher miteinander? Bei welchen Themen gab es sie denn, die schwarz-grüne Übereinstimmung? Und ein Blick auf das Wirtschaftsprogramm der CDU, das diese Woche in Eckpunkten vorgestellt wurde, zeigt, angefangen vom schnellen Bau der Mittelrheinbrücke bis hin zu diversen Straßenprogrammen, vor allem dies: Unvereinbarkeiten mit grünen Überzeugungen. Dennoch ist angesichts der wachsenden Popularität von Julia Klöckner und einer erstarkenden Landes-CDU, die die Sozialdemokraten momentan in der Wählergunst weit hinter sich lässt, die Nervosität im Regierungslager deutlich spürbar. Dabei hatte sich die SPD-Spitze das so schön ausgemalt. Beck macht noch ein, zwei Jährchen, übergibt dann an einen seiner Kronprinzen Roger Lewentz oder Hendrik Hering und alles geht weiter seinen vertrauten Gang. Aber ausgerechnet der gescheiterte Misstrauensantrag zwingt Beck jetzt dazu, auszuharren. Denn er wird sich niemals vorwerfen lassen, in der Not gekniffen zu haben. Es ist die Oppositionsführerin, die die Wunde Nürburgring beharrlich am Bluten hält. Deswegen wünscht Rot-Grün sie sich auch ganz weit weg, am besten in Berlin, wo Klöckner gute Chancen hat, einen Stellvertreterposten in der Bundes-CDU zu ergattern. Flugs raunt man ihr weiterreichende bundespolitische Ambitionen nach - was für ein Kompliment vom politischen Gegner! - wohl wissend, dass eine breite Vernetzung auf Bundesebene die Oppositionschefin für Rheinland-Pfalz noch interessanter macht. Die Landes-CDU wäre schließlich schön dumm, wenn sie ihren Goldfisch von der Angel ließe. Und Kanzlerin Angela Merkel kann nicht das geringste Interesse daran haben, eine Politikerin, der zugetraut wird, Rheinland-Pfalz für die Christdemokraten zurückzugewinnen, an Berlin zu binden.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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