Glaube im Alltag

In diesen Tagen findet man sie an vielen Straßenecken, manche schon arg gerupft und zerzaust, andere noch in erstaunlicher Pracht und versehen mit dem verblassenden Duft nach Feiertag und grüner Tanne: Weihnachtsbäume. Abgeschmückt und abgelegt warten sie darauf, abgeholt zu werden.

Eine Freundin erzählte, wie ihr kleiner Sohn den eigenen Weihnachtsbaum vor ihrem Haus am Straßenrand entdeckte - sein Kommentar: "Mama, der Tannenbaum ist ganz nackig und schläft im Hof!" Großartig. Das zaubert mir ein breites Grinsen aufs Gesicht. Und mir fällt dabei ein, dass es quasi fast genau 24 Tage her ist, dass dieser nun nackige, schlafende Baum strahlend und festlich geschmückt in einer Stube stand und frohe Gesichter hoffnungsvolle Lieder sangen. 24 Tage ist Weihnachten her - und nicht nur wenn ich mir die Weihnachtsbäume anschaue, frage ich mich: Wo ist der Glanz geblieben? Was ist geblieben vom Frieden auf Erden? Und die Menschen seines Wohlgefallens? Wo sind sie? Viel ist seitdem passiert und hat dem Glanz seine Strahlkraft genommen. Das Grauen der letzten Woche, das Attentat von Paris, erschüttert und erschreckt. Die Demonstrationen auf unseren Straßen nehmen zu - und auch wenn die Zahlen derer, die für Frieden und Gerechtigkeit einstehen, zu überwiegen scheinen, wird einem mitunter angst und bange. Nüchtern betrachtet könnte man sagen: Kein Fest dauert eben ewig. So ist das wohl. Das sagt und weiß der Verstand. Aber das Herz, das sollte darüberhinaus etwas anderes wissen: "Fürchtet Euch nicht! Seid gewiss, ich bin bei Euch, alle Tage, bis an das Ende der Welt." Ein wahrhaft festliches Wort, das uns da zugesprochen wird. In einem der Lieder, welches vor 24 Tagen erklang, heißt es: "O Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren: Die Hoffnung und Beständigkeit gibt Trost und Kraft zu jeder Zeit. Oh Tannenbaum, dein Kleid will mich was lehren." Und auf einmal scheint es mir, als ob die abgelegten, zerzausten Bäume längst eine ganz eigene Strahlkraft besitzen: Mitten im Alltag bleibt die Hoffnung bestehen, eben auch ohne Glanz und Gloria. Und hoffnungsvolle Lieder lassen sich doch auch das ganze Jahr über singen, oder? Pfarrerin Maike Roeber, Trier

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