Glaube im Alltag

"Karfreitag wird gegengekärchert!" - Ich habe den Satz erst hier kennengelernt. Da gibt es Nachbarschaften, die respektieren den Karfreitag nicht, sondern werfen den Hochdruckreiniger an.

 Vanessa Kluge. Foto: privat

Vanessa Kluge. Foto: privat

Es wird dann entsprechend später an Fronleichnam zurück gekärchert. Vergleichbar ist die jährliche Diskussion, ob man am langen Osterwochenende Party machen solle. Aus allem spricht dieselbe Haltung: Jesus am Kreuz - na und? Aber diese Einstellung ist dabei gar nicht so neu. Schon bei der Kreuzigung hat man sich über Jesus lustig gemacht. Kopfschüttelnd gingen Menschen an ihm vorbei und sagten: "Wenn der da Gottes Sohn ist, soll er doch vom Kreuz steigen!" — Manchmal wünsche ich mir, Jesus hätte das getan. Er wäre herunter gestiegen und die Spötter hätten ihr blaues Wunder er-lebt. Nie wieder dumme Bemerkungen. Dann wäre klar: Er ist Gottes Sohn. Kein Zweifel mehr. Jesus der Superheld. Aber - Jesus ist nicht vom Kreuz gekommen. Er ist da geblieben, hält die Schmerzen, den Spott und den Zweifel aus - so wie wir das manchmal auch tun müssen. Nein, er ist kein Superheld. Dafür weiß er, wie übel das Leben sein kann. Er weiß, wie von Freunden verraten werden sich anfühlt. Er weiß, wie unerträglich es ist, von Gott verlassen zu sein. Er kennt die Abgründe des Lebens - seine und meine. Das macht es mir leichter, mich an ihn zu halten. Im Angesicht seines Kreuzes einmal im Jahr zur Ruhe kommen und allen Unerträglichkeiten ungeschönt ins Auge zu blicken. Meine traurigen Seiten aushalten. Das ist schwer, doch ich bin dabei nicht allein. Morgen - an Karfreitag unterm Kreuz ist da Platz. Zeit zum Kärchern und Feiern bleibt genug im Jahr. Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang

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