Glaube im Alltag

Derzeit finden sich täglich in den Medien meist mehrere Artikel zum Thema Mindestlohn. Dabei geht es in der Regel um die Ausweitung der Ausnahmen und um Nachbesserungen zur Entlastung von Unternehmen.

Ich vermisse bei allen Ausführungen den Blick auf die Arbeitnehmer. Etwa 1,3 Millionen Menschen in Deutschland benötigen trotz Erwerbstätigkeit staatliche Leistungen zum Lebensunterhalt (Aufstockung), mehr als 200 000 trotz Vollzeitarbeit. Katholische Verbände, zum Beispiel die Katholische Arbeitnehmerbewegung und die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands, prangern seit Jahren die Ausweitung des Niedriglohnbereichs, die systematische Umwandlung sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse in Minijobs und ähnliche Entwicklungen an. Diese bedeuten hohe Armutsrisiken für die Beschäftigten und führen langfristig automatisch in Altersarmut. Im Zentrum steht dabei die Forderung nach menschenwürdigem, selbstbestimmtem Leben für alle. Das beinhaltet die Frage nach dem Wert der Arbeit und die Forderung nach einer Bezahlung, die allen Menschen genau das ermöglicht. Der jetzt politisch gewählte Weg des Mindestlohns bringt dieses Ziel näher. Wenn nun Unternehmer oder Politiker diesen als zu hoch beklagen, sollten sie sich zumindest zwei Fragen stellen: Was ist mir eine Stunde meiner eigenen (Arbeits-)Zeit wert - 30, 100 oder mehr Euro? Mit welchem Recht bewerte ich die Stunde (Arbeits-)Zeit eines anderen Menschen mit weniger als 8,50 Euro und warum? Im Neuen Testament ist an mehreren Stellen zu lesen: Wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Lohn. Und das bekannte Gleichnis Jesu von den Arbeitern im Weinberg, die abends ihren vereinbarten Lohn erhalten, macht deutlich, dass dieser Lohn mindestens den Lebensunterhalt zu sichern hat. Ingrid Müller, Pastoralreferentin in Trier

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