Glaube im Alltag Karneval ist „evangelisch“

Sich verkleiden, in die Rolle eines Menschen schlüpfen, den ich verehre, ist ein Spiel, das Kinder immer gerne spielen. Aber nicht nur Kinder. Zum Karneval schlüpfen Erwachsene in die unterschiedlichsten Kostüme.

Pfarrerin Ilona Fritz aus Prüm

Pfarrerin Ilona Fritz aus Prüm

Foto: privat

Jeder/jede darf jeder/jede sein. Soziale Unterschiede verblassen für einige Tage. Offen wird in Büttenreden der Spiegel vorgehalten, ausbündig gelacht und gefeiert.

Ausgeprägt ist diese Tradition des Karnevals vor allem in katholischen Gegenden. In Nord-Holland, wo ich 25 Jahre gelebt habe, einer reformierten Gegend, fährt am Rosenmontag der Rosenmontagszug durch die Stadt. Mehr ist vom Karneval öffentlich nicht zu erleben. „Wenn du Karneval feiern willst“, so eine Nachbarin in Amsterdam, „dann musst in die katholischen Regionen fahren nach Brabant oder Zuid-Limburg.“

Karneval ist also ein Fest der Katholiken? In der Tat legten die Reformatoren (Luther, Calvin, Zwingli) den Schwerpunkt auf geistliche Neubesinnung, dem Leben aus der Gnade Gottes und daraus folgend auf kirchliche Erneuerung. Den „tollen“ Tagen wurde mit Argwohn und sogar mit Ablehnung begegnet. Erst im letzten Jahrhundert mit der erneuten Besinnung auf das Befreiende der Botschaft Jesu und der Lebensfreude von Martin Luther haben Protestanten den Karneval für sich entdeckt.

Das Befreiende der Botschaft des Evangeliums kommt aus dem Rollentausch, den Gott selbst unternimmt. In dem Weihnachtslied „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich“ heißt es: „Er äußert sich all seiner G´walt, wird niedrig und gering und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding. … Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein! Wie könnt es doch sein freundlicher, das herze Jesulein.“ (EG 27, 3. und 5. Strophe)

Gottes „Karneval“ hat bleibende und befreiende Wirkung. Durch seinen Tausch haben wir Anteil an Gottes Segenskraft, an der Liebe. Sie hält den kritischen (Narren-)Spiegel hoch und aus, sie lacht von Herzen und sucht das Gute zu jeder Zeit in jedem Menschen. Karneval ist in diesem Sinne „evangelisch“. So wünsche ich fröhliche und vergnügte Karnevalstage in dem Vertrauen, das Hanns Dieter Hüsch treffend formuliert hat:  „Ich bin vergnügt/erlöst/befreit/Gott nahm in seine Hände/Meine Zeit/Mein Fühlen Denken/Hören Sagen/Mein Triumphieren/Und Verzagen/Das Elend/Und die Zärtlichkeit.

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