Religion In Gottes Geborgenheit leben

Die Brandung rollt den Strand hinauf, Welle auf Welle folgt und mein Blick auf das Wasser macht mir deutlich klar, dass heute keine Hilfe mehr zu erwarten ist.

Dunkle Wolken am Himmel kündigen heftige Regenfälle an und bringen mich zu der Erkenntnis, dass ich mir schnellstens einen Schutz suchen sollte. Eigentlich wollte ich nur einen Fußmarsch durchs Watt machen, mir die unbewohnte kleine Insel ansehen, Fotos machen und dann zurückgehen. Aber es gab so viel Schönes zu sehen und zu fotografieren. Darüber war mir der Wetterumschwung entgangen und die einsetzende Flut. Ich schaue auf mein Handy. Ich habe keinen Empfang und es wird mir schmerzlich bewusst, dass ich niemandem von meiner Wanderung erzählt habe. „Was bleibt zu tun?“, frage ich mich. Einige dicke Regentropfen unterbrechen meine Gedanken. Im Moment ist es sicherlich erst einmal sinnvoll, mich vor dem Regen zu schützen. Ich blicke mich um und entdecke in der Nähe einen kleinen Unterstand für Schafe. Das Stroh auf dem Boden ist noch recht frisch und ich setze mich hin, zumal Stehen auch gar nicht möglich ist. Das Dach ist dicht - ein Glück. Mein Blick schweift nun sozusagen aus Schafshöhe über die Landschaft. Perspektivänderungen haben ihre Vorteile, man sieht Vieles, was sonst dem Blick verborgen bleibt. Zum Glück finde ich in meinem Rucksack einige Kleinigkeiten zu essen und auch etwas zu trinken. „Muss ich das jetzt rationieren?“, kommt mir in den Sinn. „Überflüssig“, antworte ich mir laut, „die nächste Ebbe wird sicherlich kommen, darauf muss ich eben einige Stunden warten.“

Ein Griff in meine Jackentasche bringt einen zusammengefalteten Zettel zum Vorschein. Am letzten Sonntag hatte ich ihn im Gottesdienst erhalten. Dort lese ich: „Herr, all mein Sehnen liegt offen vor dir, mein Seufzen war dir nicht verborgen“. „Passt ja ganz gut“, denke ich. Insgeheim hatte ich ja schon meine Bedenken, so allein auf dieser Insel. Nicht ausgesprochene Gedanken zwar, die ER aber sicherlich wahrgenommen hat. Mit dieser Erkenntnis - eigentlich nie allein zu sein, sondern in Gottes Geborgenheit zu leben - warte ich nun ganz zuversichtlich und entspannt auf die nächste Ebbe. Bis dahin nutze ich die Zeit und denke noch etwas nach über meine Wünsche und Sehnsüchte und schicke sie vertrauensvoll in die Weiten des Himmels.

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