Kante und Geschmeidigkeit

Politiker und Medien lieben die plakative, die einprägsame Formulierung, die sich dann schnell im allgemeinen Sprachgebrauch wiederfindet.

So wurde beispielsweise vor langer Zeit ,,König Kurt" erschaffen - je nach Bedarf und politischer Sichtweise mal respektvoll, mal spöttisch akzentuiert. Als der langgediente rheinland-pfälzische Ministerpräsident am Mittwoch offiziell verabschiedet wurde, war mit Amtsnachfolgerin Malu Dreyer die ,,Königin der Herzen" geboren. Aber um die eigenen Beliebtheitswerte am Schluss auch in die harte Währung Wählerstimmen umzumünzen, braucht es natürlich mehr als die höflich betonte Kontinuität. Dreyer wird neben dem erwarteten neuen Führungsstil auch eigene Themen nennen und durchsetzen müssen, um der abdriftenden SPD wieder Wind unter die Flügel zu blasen. Oppositionsführerin Julia Klöckner ist ihr bereits um mehr als eine Nasenlänge voraus. Sie hat es in kurzer Zeit geschafft, die jahrelang mit sich selbst beschäftigte und in sich zerstrittene Landes-CDU zu befrieden. Gegenüber Kurt Beck war Klöckners Erfolgsrezept dagegen die ungezügelt forsche Gangart, die erbarmungslose Attacke, in deren Konsequenz sie freilich selbst auch viel Kritik und Häme einstecken musste. Aber junge Frau gegen älteren Patriarchen - das hatte Charme, das war freilich auch viel Theaterdonner. Immerhin brachte dieser Kurs die Christdemokraten auf Umfragewerte von aktuell 43 Prozent. Dreyer und Klöckner werden andere Umgangsformen miteinander finden, sich viel subtiler zwischen Kante und Geschmeidigkeit entscheiden müssen. Beide Frauen haben die Chance und die Persönlichkeit, eine politische Kultur zu prägen, die sich nicht in geschliffener Rhetorik erschöpft, sondern Parteiziele und -programme mit selbst verkörperten Werten verknüpft. Das hört sich selbstverständlicher an, als es gemeinhin ist. Was passiert, wenn das eine nicht zum anderen passt, erleben wir gerade am dramatischen Sinkflug der Bundes-SPD. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat seine Partei innerhalb weniger Wochen von 30 auf 23 Prozent herunterschwadroniert. Nicht, weil er ein schlechter Politiker ist - seine Qualitäten hat er als Finanzminister der Großen Koalition bewiesen. Sondern weil sein eigener Lebensstil, sein kaum verhohlenes herrschaftliches Selbstverständnis dem SPD-Wahlkampfthema soziale Gerechtigkeit empfindlich zuwiderläuft. Programme sind abstrakte Absichtserklärungen. Ihre Glaubwürdigkeit steht und fällt mit den Personen, die sie in vorderster Reihe vertreten.
Isabell Funk, Chefredakteurin

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