Keine banale Post

Wer könnte bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod oder dem naher Angehöriger schon emotionslos bleiben? Von daher ist die Post, die uns - je nach Krankenkassenzugehörigkeit - in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten erreicht, auch nicht banal. Mit Inkrafttreten der neuen Organspendereform am 1. November werden von jetzt an alle über 16-Jährigen regelmäßig gefragt, ob sie bereit sind, nach ihrem Tod mit ihrer Leber, Lunge, Niere, ihrem Herzen oder anderen Organen Schwerstkranken das Leben zu retten.

Das neue Gesetz basiert auf Freiwilligkeit. Aber man muss schon sehr abgestumpft sein, um das Schreiben einfach zu ignorieren. Natürlich soll diese Erinnerungspraxis die Spendenbereitschaft fördern. Denn immer noch brauchen viel mehr Menschen Organe, als Organe zur Verfügung stehen. Aktuell ist von 12 000 Wartenden die Rede. Jeder von uns könnte irgendwann dazu gehören. Aber auch Angehörigen von Verstorbenen hilft eine klare Willensbekundung vor dem Tod. Selbst wenn sie ,,Nein" lautet, enthebt sie die Nächsten im Zweifel einer schweren Gewissensentscheidung. Dass die Spendenbereitschaft wegen der jüngsten Skandale an deutschen Transplantationszentren dramatisch nachgelassen hat, ist zwar nachvollziehbar, weil zutiefst ethische Grundsätze berührt sind. Diese Zurückhaltung aber bedeutet das Todesurteil für viele, die mit einem fremden Organ wieder eine Lebensperspektive hätten. Dabei könnte man gerade jetzt, nachdem Unregelmäßigkeiten in Göttingen, Regensburg und München aufgeflogen sind, doch ziemlich sicher sein, dass die Öffentlichkeit ein waches Auge auf die Vergabepraxis hat und damit Missbrauch unterbunden wird. Nur weil einige versagt haben, ist ja nicht gleich das ganze System schlecht.

Isabell Funk, Chefredakteurin

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