Kindesmissbrauch: Der Klerus am Pranger

Die deutlichen Worte, die der Trierer Bischof Stephan Ackermann zum jüngst bekanntgewordenen Kindesmissbrauch an deutschen Jesuiten-Schulen gefunden hat, heben sich wohltuend ab vom beharrlichen Schweigen einiger seiner Amtskollegen.

Dass sich Ackermann eindeutig auf die Seite der Opfer stellt und vor Vertuschung und Verharmlosung warnt, ist für einen Kirchenmann so selbstverständlich nicht.

Denn die bisher übliche Praxis des Klerus war Heimlichtuerei - wenigstens so lange, bis nicht doch der eine oder andere Fall an die Öffentlichkeit gelangte und eine Entschuldigung unumgänglich wurde.

Aber Abschottung schützt die katholische Kirche nicht, sie schadet ihr, weil sie erstens dazu verführt, die gesamte Institution mit all ihren Priestern unter Generalverdacht zu stellen, und zweitens weiteren Missbrauchsfällen Vorschub leistet. Ein Blick vor allem ins Internet zeigt, wie heftig die Amtskirche unter Beschuss geraten ist, wie sehr das Thema die Menschen beschäftigt und empört. In Blogs und Kommentaren wird hemmungslos spekuliert und denunziert. Und das ist ja so unverständlich nicht. Denn die Schuld einzelner wurde bisher durch Vernebelungstaktiken klerikaler Apparatschiks vervielfacht.

Gar zu einfach wäre es freilich auch, den Zölibat, also die den katholischen Priestern verordnete Ehelosigkeit und die damit implizierte sexuelle Enthaltsamkeit, als Ursache allen Übels auszumachen. Verwunderlich, dass das auch nachdenklichere Kreise tun. Nun mag man über die heutige Sinnhaftigkeit eines Relikts aus dem 12. Jahrhundert trefflich streiten. Aber wenn Verzicht auf Sexualität die Gefahr von Missbrauch beförderte, warum kommen dann die meisten Übergriffe in Familien vor?

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Prävention und Prophylaxe beschreibt das Täterbild folgendermaßen: ,, Missbraucher handeln nicht aus einem sexuellen Notstand heraus, denn dem Täter geht es bei sexualisierter Gewalt nicht in erster Linie um sexuelle Befriedigung. Es geht um den Missbrauch von Macht durch sexuelle Gewalt. Die Sexualität wird als Mittel, sozusagen als Waffe benutzt, um Macht auszuüben ."

Auf ihrer Konferenz am 22. Februar werden die katholischen Bischöfe also viel Gesprächsstoff haben. Natürlich gehört das Thema Sexualität und Liebe nicht nur mitten in die Gesellschaft, sondern auch in den inneren Zirkel der Kirche. Tabus führen hier doch - wie sattsam bekannt - allenfalls zu Ängsten, Schuldgefühlen, Verunsicherung und bisweilen höchst interpretierungsbedürftigen Gesten.

Die Frage, die sich aus Sicht der Öffentlichkeit aber am drängendsten stellt, ist die nach der Loyalität des Klerus: Gilt sie dem Apparat, der es bisher vorgezogen hat, sich auch im Unrechtsfalle wegzuducken, oder gilt sie allgemein und im Besonderen den Menschen?

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