Alles wie immer

Eigentlich sollte diesmal alles anders werden. Doch tatsächlich ist nichts anders geworden.

Die Parteien haben bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten am Wochenende genau die taktischen Spielchen und Winkelzüge vollzogen, die sie nach dem Wulff-Debakel vermeiden wollten. Kandidaten wurden genannt, Kandidaten wurden instrumentalisiert, es wurde gezockt und gepokert. Wie lautete noch am Tag des Rücktritts von Christian Wulff die Botschaft der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und der anderen Parteichefs? Es solle ein Konsenskandidat für das Amt des Bundespräsidenten gesucht werden.
Am Wochenende hat sich gezeigt: Das war vor allem eine Worthülse. Mehr nicht. In Wahrheit hat fast keiner der Beteiligten im Sinn gehabt, wirklich den besten aller Kandidaten für das Schloss Bellevue zu finden.
Konsens hieß, wir schachern weiter und tun zunächst einmal so, als ob es kein Geschacher gibt. Anders ist nicht zu erklären, dass die schwarz-gelbe Koalition mehrere Tage im Kanzleramt verhandeln musste, um in der Präsidentenfrage irgendwie voran zu kommen. Das sagt etwas über den Zustand der Koalition aus. Und dass so viele, hochkompetente Personen der Kanzlerin einen Korb gegeben haben, oder aber wieder aus dem Rennen genommen wurden. Anders ist aber auch nicht zu erklären, dass die Opposition nicht in der Lage gewesen ist, sich auf eine Person festzulegen. Stattdessen wurden ein ums andere Mal neue Namen in die Gespräche lanciert, um die Koalition damit unter Druck zu setzen. Alles so wie immer.
Noch schlimmer ist freilich, dass die Suche nach dem Wulff-Nachfolger fast zu einer schweren Regierungskrise geworden ist. Es ist schon atemberaubend, dass die FDP geglaubt hat, mit einem einstimmigen Präsidiumsbeschluss für einen der Kandidaten voranpreschen zu können, um wieder in die Offensive zu kommen. Ohne dabei zu bedenken, dass der Schwanz nun mal nicht mit dem Hund wedelt. Soll heißen: Angela Merkel und die Union haben dadurch gar keine andere Wahl mehr gehabt, als der forschen Drei-Prozent-FDP mit einem Nein die Grenzen aufzuzeigen. Jetzt sitzt die FDP mehr denn je am Katzentisch.
Hohe Regierungskunst war das jedenfalls nicht, was man am Wochenende bei der Präsidentensuche gerade von Schwarz-Gelb erleben durfte. Auch von Angela Merkel nicht. Sie ist in Wahrheit - anders als versprochen - nicht ergebnisoffen in die Gespräche gegangen, auch sie hat stets danach geschaut, welcher Kandidat ihr welchen Nutzen bringen und welcher ihr schaden könnte. Das ist zwar grundsätzlich legitim. Aber nicht, wenn man schon zwei Präsidenten verschlissen hat.

nachrichten.red@volksfreund.de

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