Zur künftigen Bundesregierung Quoten und Erfahrung: Darum werden Anne Spiegel und Volker Wissing Minister

Mit der Nominierung von Anne Spiegel als Familienministerin überraschen die Grünen-Chefs Annelena Baerbock und Robert Habeck die eigene Partei. Was für die Rheinland-Pfälzerin spricht und welche Erfahrungen sie mit dem voraussichtlichen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) teilt.

Anne Spiegel und Volker Wissing Minister - Darum streiten die Grünen
Foto: TV/Friedemann Vetter

Zwei Rheinland-Pfälzer sollen Minister-Posten in der neuen Ampel-Koalition bekommen. Diese Nachricht überraschte selbst Politik-Experten.

Bekannt war, dass FDP-Generalsekretär Volker Wissing nach vorne strebt. Er soll als Verkehrsminister übernehmen und hat gleich drei Startvorteile: Erstens übernimmt er von Andreas Scheuer. Der CSU-Minister ist aufgefallen, allerdings selten positiv. Das Maut-Debakel gehört ebenfalls zu seiner Bilanz wie eine halbherzige E-Auto-Strategie. Kein Wunder, dass Scheuer in Umfragen nach den beliebtesten Ministern stets auf einem der hinteren Plätze landete. Wissing kann also nur gewinnen.

Zumal er in Mainz bereits die Zuständigkeit für den Verkehrsbereich hatte. Wissing wird fachlich keine lange Einarbeitungszeit benötigen. Vorteil Nummer drei: Wissing ist das Arbeiten in einer Ampel-Koalition gewohnt. Er positionierte die FDP in Rheinland-Pfalz durchaus geschickt zwischen SPD und Grünen.

Diese Erfahrung bringt auch Anne Spiegel mit. Sie soll aus Mainz nach Berlin wechseln und Familienministerin werden. Aber was führte zur Entscheidung der Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck? Spiegel profitiert – dies gehört zur Wahrheit – bei den Grünen von dem Wunsch nach strikter Einhaltung bestimmter Quoten. Fünf Ministerposten ergibt drei Frauen und zwei Männer. Und Habeck und Baerbock mussten dringend eine Frau präsentieren, die dem linken Flügel der Partei zugerechnet wird, nachdem mit Cem Özdemir ein Mann und Realo Landwirtschaftsminister werden soll.

Anne Spiegels Nominierung sorgt für Ärger. Etwa bei Anton Hofreiter und dessen Anhängern. Der bisherige Fraktionsvorsitzende hoffte nicht nur insgeheim auf den Posten als Landwirtschaftsminister. Habeck und Baerbock setzen mit ihrer Entscheidung mehrere Signale. Zum einen wollen sie pragmatisch regieren, Hofreiters Nominierung wäre absehbar bei vielen Landwirten auf wenig Gegenliebe gestoßen. Und sie haben andererseits keine Angst davor, dass in ihrer Partei Unruhe aufkommt. Beide setzen darauf, dass die meisten für den Koalitonsvertrag stimmen, obwohl es erstmals seit langem wieder zwischen den Parteiflügeln rumort – die Chance auf die Regierungsbeteiligung dürften aber die wenigsten wegen einer Personalie aufs Spiel setzen.

Gerade weil für Anne Spiegel viel mehr spricht als Quoten. Sie hat es in Rheinland-Pfalz geschafft, die Grünen zu einen und zum verlässlichen Partner zu machen. Zudem war sie als Familienministerin eine glaubhafte Kämpferin für die Rechte der Familien und gerade der Kinder in der Corona-Zeit. Wobei sie sich in Mainz nicht mit jedem Wunsch durchsetzen konnte. So war sie etwa im ersten Lockdown strikt gegen Maßnahmen wie die Schließung von Spielplätzen. Spiegel wird nun noch mehr kämpfen müssen, der Wechsel auf die große Berliner Bühne ist ein anspruchsvoller. Wenn er gelingt, kann er für Spiegel aber vor allem eines sein: die Chance auf eine noch steilere politische Karriere.

t.roth@volksfreund.de

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