Atemnot in der Abwehr

Bundestrainer Löw hat sein EM-Aufgebot bekanntgegeben. Jenen Kreis von Spielern, die im Juni in der Schweiz und in Österreich den vierten Europameisterschafts-Titel für Deutschland gewinnen sollen.

Nun beginnen die Diskussionen von Millionen Möchtegern-"Bundestrainern" in der Republik: Können wir mit diesem Kader Fußball-Europameister werden? Es wird schwer. Weil es in einem neuralgischen Bereich zu wenig Alternativen gibt. In der Abwehr. Eine stark phrasenverdächtige Behauptung lautet: Der Sturm gewinnt Spiele, die Abwehr Meisterschaften. Dass da was dran ist, zeigt sich aktuell in der Bundesliga. Bayern München war frühzeitig als Meister "durch", weil der Club die stabilste Defensive aufweist.Löw baut bei der EM auf seinen Abwehrchef Christoph Metzelder. Der ist erst seit Anfang Mai nach einer Fußsohlen-Operation wieder im Mannschaftstraining. Fünfeinhalb Monate hat der 27-Jährige nicht mehr gespielt. Das ist eine große Hypothek.

Neben ihm und Per Mertesacker machen sich Alternativen für die Innenverteidigung im vorläufigen EM-Kader aber auch schon rar. Arne Friedrich? Eine richtig starke Saison bei Hertha BSC Berlin sieht anders aus. Heiko Westermann? Seine Welt ist eher die Außenbahn.

Im Mittelfeld und im Sturm hat sich Löw dagegen bewusst noch Raum für Veränderungen gelassen. Ein guter Schachzug. So kann er aus der Vorbereitung heraus mögliche Verletzte ersetzen. Hätte er jetzt nur 23 Mann mit ins Trainingslager nach Mallorca genommen - also nur so viele Spieler, wie endgültig am 28. Mai gemeldet werden - hätten Nachrücker quasi aus dem Urlaub zurückbeordert werden müssen.

Eine richtige Sensation ist die vorläufige Nominierung von Marko Marin, dem 19-jährigen Wirbelwind von Borussia Mönchengladbach. Dem sympathischen Bub ist zu wünschen, ähnlich erfrischend auftreten zu können wie David Odonkor vor zwei Jahren bei der WM 2006.

Die Entscheidung für René Adler im Tor zulasten von Timo Hildebrand ist weniger entscheidend für das bevorstehende Turnier, dafür aber ein interessanter Fingerzeig für die Zeit danach.

Joachim Löw hat das EM-Projekt als Bergtour 2008 betitelt - deshalb auch die Bekanntgabe des Kaders in luftiger Höhe auf der Zugspitze.

Lassen sich die risikobehafteten Planspiele in der Defensive nicht wie erhofft umsetzen, wird die Luft für die deutschen Bergsteiger schneller dünn, als ihnen lieb ist.

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