Auf Hungerlohn-Niveau

Die Protest-Aktionen der Milchbauern haben eine neue Dimension erreicht: Seit gestern sind es nicht mehr nur überwiegend deutsche Landwirte, die gegen weiter sinkende Milch-Preise auf die Straße gehen.

Immer mehr europäische Bauern machen inzwischen mit und schließen sich sogar länderübergreifend zusammen.

Frankreich, Luxemburg und Belgien sind bei den ausgerufenen Boykotten und Blockaden schon dabei, und weitere Länder werden folgen. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass es für immer mehr Milchbauern mittlerweile um die nackte Existenz geht.

Der Milch-Auszahlungspreis deckt nicht mal mehr die Produktionskosten, ist damit ein Hunger-Lohn und kein angemessenes Gehalt für eine Sieben-Tage-Woche mit dauerhafter Früh- und Spät-Schicht. Während die Bauern auf die Straße gehen, haben die Discounter schon den nächsten Preiskampf bei Milchprodukten eingeläutet. Absehbar also, dass sich die Abwärtsspirale weiterdrehen wird.

Absehbar aber auch, dass EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel ihre Anfang der Woche geäußerte Ablehnung zusätzlicher Unterstützungen noch einmal überdenken und revidieren wird.

Nach den zunehmenden Protesten in den einzelnen EU-Mitgliedsländern werden deren Agrar-Minister schon aus reinem Selbstschutz so lange an Boels Tür klopfen, bis die Kommissarin nachgibt.

Nur: Ein paar zusätzliche EU-Millionen, Stützungskäufe oder was auch immer lösen das Problem nicht, schieben es allenfalls auf Wiedervorlage, wie die Vergangenheit gezeigt hat.

Länder wie etwa die USA, Brasilien oder Neuseeland haben schlichtweg deutlich kostengünstigere Milch-Produktionsbedingungen als viele Regionen in den Staaten der Europäischen Union. Der Ausweg besteht auch nicht in staatlichen Bürgschaften, sondern in einer vernünftigen Zukunftsperspektive und vor allem in Ehrlichkeit.

Die Regierenden müssen ihren Milchbauern klar sagen, ob man sie für erwünscht oder verzichtbar hält. Wie es im Augenblick aussieht, ist wohl Letzteres der Fall.

r.seydewitz@volksfreund.de

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