Auftakt zum Sommertheater

Unter den zahlreichen Irrungen und Wirrungen der Bundesregierung darf die Steuerpolitik als Parade-Disziplin gelten. In schlechter Erinnerung geblieben ist nicht nur eine hoch umstrittene fiskalische Entlastung für Hotelbesitzer.

Daneben gab es noch eine wahre Kaskade von Ankündigungen und Dementis, die das Wahlvolk zuletzt - wenn überhaupt - nur noch genervt zur Kenntnis nahm.
Nun hat Schwarz-Gelb diesem traurigen Kapitel eine weitere Seite hinzugefügt: Wieder einmal verheißen die Koalitionsspitzen Steuersenkungen. Aber nicht jetzt, sondern erst 2013. Obendrein bleibt offen, wie und wo genau.
Was soll der Bürger damit anfangen? Zu erwarten ist, dass der Frust über die Koalition sogar bei den verbliebenen Anhängern umschlägt in ein: Die können es nicht. Der Vorgang verstärkt jedenfalls den Verdacht, dass die neuerliche Geschenkidee einzig parteitaktischem Kalkül entspringt und nicht etwa einer nachhaltigen Konzeption. Tatsächlich wird 2013 ein neuer Bundestag gewählt. Und die FDP scheint schon über die späte Genugtuung zu frohlocken, dass sie der Union wieder einmal ein Entlastungsversprechen abgetrotzt hat.
Genau das könnte sich noch rächen. Die Gefahr des abermaligen Scheiterns ist nämlich um ein Vielfaches größer als die Aussicht auf einen spürbaren Erfolg. Dann wäre der Fall besonders tief, und Philipp Rösler, der liefern wollte, wäre geliefert.
Selbst wenn es gelingen sollte, ein ansehnliches Entlastungspaket zu schnüren, dann steht die Koalition immer noch vor der schwer zu lösenden Aufgabe, eine Mehrheit im Bundesrat davon zu überzeugen. Denn warum sollten SPD-regierte Länder, die dafür auch gebraucht werden, ausgerechnet für das Wahljahr ein liberales Wiederbelebungsprogramm durchwinken?
Bliebe noch eine Senkung der Sozialbeiträge, die Schwarz-Gelb allein ins Werk setzen könnte. Dumm nur, dass die Spielräume auch hier gering sind. Einzig die Rentenkasse bietet Luft dafür. Derweil wäre bei der Pflegeversicherung sogar eine Beitragsanhebung nötig, falls die Koalition ihre versprochenen Leistungsverbesserungen etwa für Demenzkranke ernst nimmt. Und ob es politisch sinnstiftend ist, den allgemeinen Krankenkassenbeitrag zu reduzieren, um im Gegenzug individuelle Zusatzbeiträge auf breiter Front zu riskieren, darf stark bezweifelt werden.
Wie man es auch dreht und wendet: Der Bundesregierung droht mit ihrer neuerlichen steuerpolitischen Inszenierung eine handfeste Blamage. Das dürfte sich schon in den kommenden Wochen zeigen, wenn der Plan in den eigenen Reihen hin und her gewälzt wird. Ein Vorratsbeschluss, dem jede Substanz fehlt, eine bloße Absichtserklärung - das ist genau der Stoff, aus dem politische Sommertheater gemacht sind. Vorhang auf!

nachrichten.red@volksfreund.de

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