Ausgang ungewiss

Joachim Gauck tritt nicht zurück. Der Bundespräsident tritt womöglich nur nicht noch einmal für das höchste Amt im Staate an.

Diesen gewichtigen Unterschied gilt es zu berücksichtigen, wenn man sich der schon seit Monaten schwelenden Debatte nähert - und der politischen Hektik, die in der nächsten Zeit wahrscheinlich programmiert ist und andere wichtige Themen in den Hintergrund zu drängen droht.
Zunächst einmal muss man festhalten: Egal, wie sich Gauck am Ende entscheidet, sein Entschluss ist auf jeden Fall zu respektieren. Der amtierende Bundespräsident hat dem Amt jene Würde zurückgegeben, die mit dem vorzeitigen und glücklosen Ausscheiden seiner beiden Vorgänger Horst Köhler und Christian Wulff verloren gegangen war.
Fünf Jahre lang wird Gauck Bundespräsident sein, wenn im Februar 2017 turnusmäßig neu gewählt wird. Viele wünschen sich, dass er weitermacht. Weil er nach einigen Anfangsproblemen ein guter Präsident geworden ist, weil er nicht nur reden kann, sondern auch etwas zu sagen hat. Es wäre aber auch keine Schande, mit "nur" einer Wahlperiode zu sagen, so, das war's. Gerade, wenn sie erfolgreich ist. Vieles spricht dafür, dass Joachim Gauck diesen Weg geht. Ein Weitermachen hätte er auch schon früher verkünden können. Aber offenkundig hat er stark mit sich gerungen. Die Zeiten sind ja eigentlich auch nicht danach, das ohnehin angespannte politische Klima durch eine zähe Nachfolgedebatte zusätzlich zu belasten.
Die ersten Reaktionen vom Wochenende erinnerten an einen aufgescheuchten Hühnerhaufen. Noch ist zwar nichts offiziell. Aber das Personalkarussell hat bereits eine Umdrehungszahl erreicht, die schwindlig macht. Respekt vor dem Amt? Fehlanzeige.
In dieser Situation wünschte man sich, das Staatsoberhaupt würde vom Volke gewählt. Dann entzöge sich die Personenfindung dem ganzen parteitaktischen Klamauk.
Allein, so wird es nicht kommen. Eher ist eine politische Schlammschlacht zu erwarten, falls Gauck tatsächlich nicht noch einmal antritt. Ein natürlicher Nachfolger, ein Konsenskandidat, ist weit und breit nicht in Sicht. Union und SPD haben die Nase voll von einer großen Koalition. Also wird es kaum einen gemeinsamen Favoriten geben. Und ein rot-rot-grünes Signal dürfte weder mit den Grünen noch mit den Sozialdemokraten zu machen sein.
Überhaupt könnte jedes Farbenspiel zur Bestimmung eines Nachfolgers als Vorgriff auf die Machtverhältnisse nach der nächsten Bundestagswahl gewertet werden. Das macht die Sache grundsätzlich schwierig. Zumal auch die Mehrheiten in der Bundesversammlung durch das Erstarken der AfD komplizierter geworden sind.
Das alles riecht nach einem Experiment mit ungewissem Ausgang. So verständlich Gaucks Entscheidung sein mag, so vertrackt wird es werden, mit dem allseits erwarteten Szenario politisch umzugehen.
nachrichten.red@volksfreund.de

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