Die Woche im Blick Silvester – und die verkürzte Debatte

Meinung · Die Debatte nach den Ausschreitungen zu Silvester in Berlin ist verengt: Die einen haben nur die Herkunft der Täter im Blick, die anderen wollen darüber gar nicht reden. Warum diese Extreme den Blick für Lösungen verhindern und die Debatte um ein Böllerverbot Probleme nur verdeckt.

Feuerwehrmänner löschen an der Sonnenallee in Berlin einen Reisebus, der von Unbekannten in der Silvesternacht angezündet worden war.

Feuerwehrmänner löschen an der Sonnenallee in Berlin einen Reisebus, der von Unbekannten in der Silvesternacht angezündet worden war.

Foto: dpa/Paul Zinken

Reflexartig fallen die Reaktionen nach den Silvester-Randalen in Berlin aus, vor allem bei der Frage, wer die Täter sind und was sie dazu bewogen haben dürfte. Wer greift Einsatzkräfte an und schießt bewusst in die Menge?

Ist es richtig zu schreiben, dass viele der Täter Ausländer sind oder einen Migrationshintergrund besitzen? Auf diese Antwort kann es hier nur ein klares Ja geben. Wer dies unterdrückt, bekämpft nicht Rassismus, sondern verfälscht die Realität. Zu dieser gehört übrigens auch, dass es nicht verwundert, wenn die Täter in Berlin oft Menschen mit Migrationshintergrund sind. Deren Anteil ist dort nun einmal sehr hoch. Und: An Silvester haben junge Männer in den Vierteln gewütet, in denen sie oft selbst leben. Nicht nur die Täter, sondern auch die Opfer sind damit oftmals Menschen mit Migrationshintergrund. Und es gibt bei weiten Teilen der Anwohner kein Verständnis für Randale.

Es muss aber die Frage gestellt werden – und die will mancher nicht hören – warum es gerade in Berlin zu den Ausschreitungen kam. Und wieso Städte wie München keine größeren Exzesse vermeldeten? Ein Teil der Antwort: Dort wo der Staat sich schon vorher zurückgezogen hat, wo Polizei und Ordnungskräfte als schwach empfunden werden, ist es wahrscheinlicher, dass es zu Ausschreitungen kommt. Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) fordern nun öffentlichkeitswirksam eine schnelle Bestrafung – und wissen doch, dass es diese alleine wegen der vielen Arbeit für Ermittler und Justiz kaum geben kann. Nebenbei: Dafür zu sorgen, dass es genügend Polizei, Staatsanwälte und Richter gibt, ist Aufgabe genau dieser Politikerinnen und Politiker.

Doch zurück zur Frage, warum bestimmte männliche Jugendliche an Silvester aufgefallen sind. Es ist bemerkenswert, wie unterschiedlich die Antworten ausfallen. Die einen stellen die Perspektivlosigkeit der jungen Männer in den Blick und wollen nicht einmal Herkunft und kulturelle Hintergründe ansprechen. Die anderen nehmen nur das in den Blick. Doch die Welt ist eben nicht so einfach. Natürlich gibt es keinen Automatismus, dass Menschen mit bestimmten kulturellen Hintergründen randalieren.  Aber es ist ebenso richtig, dass aus patriarchalischen Kulturen leichter toxische Männlichkeit erwächst als aus anderen. Es ist nicht rassistisch, dies anzusprechen, sondern notwendig. Und es ist wichtig, sich zu überlegen, was – neben Polizei und Justiz – in den Blick zu nehmen ist, um die Probleme besser in den Griff zu bekommen. Da darf es nicht verboten sein, sich anzuschauen, wer die Regeln bestimmt und ob etwa ein islamischer Religionsunterricht von Verbänden angeboten wird, die früher vom Verfassungsschutz beobachtet worden sind.

Und doch ist die Perspektivlosigkeit ebenfalls ein Thema. Erfolgreiche Integration fordert zwei Seiten, die sich öffnen müssen. Einbürgerung muss etwa an strenge Regeln gebunden sein, aber sie darf dann schnell möglich sein. Zurzeit wird nur zwischen den Extremen polarisiert. Was zu kurz kommt: Pragmatismus und die Suche nach Lösungen. Denn viele der jungen Berliner, die randaliert haben, werden nicht einfach weggehen und sie können – selbst bei härtestem Vorgehen – nicht abgeschoben werden.

Doch das verlieren viele aus dem Blick. Da wird schnell ein Böllerverbot gefordert, das alle treffen würde. Um nicht missverstanden zu werden: Es gibt durchaus gute Gründe für ein Pyro-Verbot über die es sich zu diskutieren lohnt – das Eingeständnis, die Straftaten einiger Gruppen junger Menschen nur noch auf diese Weise verhindern zu können, ist für mich allerdings keiner. Noch dazu lenkt diese Debatte nur davon ab, dass sie nur Symptome bekämpft, aber keine Heilung für die Probleme bietet.

t.roth@volksfreund.de

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