Befriedet, aber nicht beflügelt

Würde man eine Umfrage zur Führungsspitze der Linken veranstalten, dann fiele den meisten Bürgern wohl nur der Name Gregor Gysi ein. Der Fraktionschef ist und bleibt das Aushängeschild seiner Partei.

Auch wenn er sich die Macht nach einem Parteitagsbeschluss vom Wochenende schon bald mit seiner Widersacherin Sahra Wagenknecht teilen soll.
Wenn Gysi das nicht selbst will, wird bis zur nächsten ordentlichen Fraktionsvorstandswahl im Herbst 2015 auch nichts dergleichen passieren. So weit reicht Gysis innerparteilicher Einfluss noch allemal. Doch was kommt danach? Wie wird sich die Linke weiter entwickeln?
Bei den tatsächlichen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger lassen sich keine Antworten darauf finden. Gewiss, beide haben durchaus Beachtliches zustande gebracht. Seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren geht die Linke deutlich friedfertiger mit sich selbst um. Die Zeit der offenen Feldschlachten zwischen westdeutschen Revoluzzern und ostdeutschen Pragmatikern, zwischen Radikalen und Reformern ist einstweilen vorbei. Aber die Konflikte im ewigen Spannungsfeld zwischen Opponieren und Regieren sind deshalb nicht gelöst. Der Frieden bei den Linken wurde auch dadurch erkauft, dass irgendwie jeder ein bisschen machen kann, was er will. So wie bei der Abstimmung über den Bundeswehreinsatz zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen kürzlich im Bundestag. Die meisten Linken stimmten mit "Nein", ein kleiner Teil mit Enthaltung und ein noch kleinerer mit "Ja".
Auch im Ukraine-Konflikt ist die Partei zwischen die Fronten geraten. Scharfmacherische Äußerungen linker Flügelkämpfer, die der gesamten Maidan-Bewegung den Stempel faschistischer Umtriebe aufdrücken, sind tatsächlich ein sehr zweifelhaftes politisches Alleinstellungsmerkmal. Vielleicht muss die Linke deshalb auch gar nicht über eine künftige Regierungsbeteiligung streiten. Bleibt es bei ihrem zwiespältigen Erscheinungsbild, tendieren die Chancen für ein rot-rot-grünes Bündnis im Jahr 2017 ohnehin gegen Null.
Ja, es stimmt: Nach ihrem Chaos-Parteitag in Göttingen vor zwei Jahren hätte es für die Linke noch viel schlimmer kommen können. Aber sich lediglich am Durchschreiten des tiefen Tals zu berauschen, wie es Kipping und Riexinger am Wochenende getan haben, ist eben noch kein politischer Geländegewinn. Nur zwei Beispiele: Zwischenzeitlich ist die Linke aus dem niedersächsischen Landtag geflogen und beim Urnengang in Bayern weiter unter ihr dort ohnehin schon mickriges außerparlamentarisches Niveau gedrückt worden. Auch das gehört zur Bilanz der Partei nach Göttingen.
Die Linke mag befriedet sein, aber längst nicht beflügelt.
nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort