Bislang nur ein Kratzen im Hals
Wenn die Luxemburger Wirtschaft hustet, dann hat die Region Trier eine dicke Erkältung. Auf diese kurze Formel hat man seit Jahren die Abhängigkeit der hiesigen Konjunktur und des Arbeitsmarktes von der im Großherzogtum gebracht.
Und auch heute noch gilt: Gäbe es den Luxemburger Arbeitsmarkt nicht, hätten 28 000 Grenzgänger allein aus Eifel, Mosel und Hunsrück keine Beschäftigung - zumindest keine auf solch finanziell attraktivem Niveau und mit zahlreichen Sozialleistungen, die es in der Höhe in Deutschland nicht gibt. Dahinter stecken viele Familien, die erst durch das Einkommen als Grenzgänger überhaupt ein stattlichen Auskommen aufweisen können.
Luxemburgs Wirtschaft hat zwar (noch) keinen Husten, allerdings ein leichtes Kratzen im Hals. Denn sie stagniert und steckt im Umbruch. Das Wort von der Krise wird jedoch offen und nicht mehr hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen. Ein bisschen Normalität hat sich in der Erwartungshaltung zur Wirtschaftsentwicklung breitgemacht. Denn die Finanzbranche wird die seit Jahren gewohnten Wachstumsraten in den kommenden Jahren nicht mehr halten können. Zu stark ist die Konkurrenz aus Übersee, zu sehr sind die Regelungen in Europa vereinheitlicht worden. Der Dienstleistungssektor soll nun die Rettung bringen. Wohin die Reise gehen soll, ist jedoch ungewiss.
Auch hat der Wettbewerb um die fähigsten Köpfe inzwischen Dimensionen erreicht, die erstaunen lassen. Einerseits ist Luxemburg zunehmend stärker auf Grenzgänger angewiesen, um Wirtschaftsleistung und soziale Absicherung zu erhalten. Andererseits wird das Ländchen den Fachkräftemangel noch stärker zu spüren bekommen als die Handwerker und Fachabteilungen bei uns. Denn im Großherzogtum ist er zum Teil hausgemacht. Während das Luxemburger Schulsystem viel Wert auf sprachliche und geisteswissenschaftliche Ausbildung legt, sind Ingenieure, Techniker und Informatiker "made in Luxemburg" Mangelware. Zu schnell werden Leistungsschwache ausgesiebt, die später auf der Strecke bleiben und in die Arbeitslosigkeit wandern.
Unsere Nachbarn werden sich künftig noch stärker als bislang ins Zeug legen müssen, um ihren Bedarf an wachstumssichernden Experten decken zu können. Die Einheimischen werden dies jedenfalls nicht schaffen. Und auch qualifizierte Grenzgänger wollen inzwischen mehr als bisher hofiert werden. Denn sowohl in der Gesundheitsbranche als auch im Bankenwesen gibt es schon einige Rückkehrer, die festgestellt haben, dass Gold allein nicht glänzt. Die Bereitschaft, Grenzgänger zu sein, nimmt mit der Zeit ab. Ob Luxemburg auf diese Veränderungen vorbereitet ist, scheint nach derzeitiger Lage zweifelhaft.
s.schwadorf@volksfreund.de