Chance auf politischen Neuanfang

Seit Sonntag ist in Luxemburg nichts mehr wie es war. Eine politische Revolution kündigt sich an: Die Ablösung des Dauer-Premiers Jean-Claude Juncker.

Kein europäischer Regierungschef konnte sich länger im Amt halten als der 58-Jährige. Und mit dessen Aus würde auch die fast ununterbrochene Herrschaft seiner Christsozialen enden. Obwohl die Konservativen trotz Stimmenverlust weiter stärkste Fraktion in der Chamber bleiben. Luxemburg ohne Juncker und ohne die CSV als Regierungspartei? Bis vor drei Tagen undenkbar im Nachbarland. Auch wenn die Unzufriedenheit mit dem seit 18 Jahren regierenden Juncker, der sich in den vergangenen Jahren mehr um Europa als um sein eigenes Land gekümmert hat, immer größer wurde, hat eigentlich kaum einer daran gezweifelt, dass die CSV weiter an der Macht bleiben wird.
Ausgerechnet der von Juncker selbst zum politischen Hoffnungsträger Luxemburgs ausgerufene Liberalen-Chef Xavier Bettel schickt sich nun an, den Königsmörder zu spielen. Bettel, der sich und seine Blauen als Sieger der vorgezogenen Wahlen sieht, bricht damit mit einer politischen Tradition in Luxemburg, dass nämlich die stärkste Partei die neue Regierung bildet. Das zeugt vom politischen Selbstbewusstsein des aufstrebenden Politikers, dem eine Karriere nicht nur in seinem Heimatland vorausgesagt wird. Und offensichtlich ist der Respekt vor dem smarten Noch-Bürgermeister so groß, dass der Spitzenkandidat der Sozialisten, Etienne Schneider, seinen vor der Wahl lautstark und selbstbewusst verkündeten Anspruch, Premierminister zu werden aufgibt
Auch wenn Juncker und seine CSV auf nicht ganz faire Art ausgeknockt werden, liegt in der Gambia-Koalition durchaus eine Chance. Eine Chance auf einen echten Politikwechsel. Eine Chance, den politischen Stillstand, der in den vergangenen Jahren unter Juncker das Land gelähmt hat, zu beenden. Juncker hatte nicht den Mut zu echten Reformen, hatte Angst, seinen Landsleuten durch notwendige harte Einschnitte wirklich wehzutun. Er hat keine Antworten auf die zunehmende Arbeitslosigkeit, die drängenden sozialen Probleme und die seit Jahren explodierenden Immobilienpreise. Auch bei der Geheimdienstaffäre, die letztlich zu den vorgezogenen Wahlen führte, hat er keine gute Figur gemacht, und zugelassen, dass seine Schlapphüte ein unkontrolliertes Eigenleben führten.
Ein echter Politikwechsel im Ländchen ist längst überfällig. Bettel und die Gambia-Koalition würde Luxemburg gut tun.
b.wientjes@volksfreund.de

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