Christdemokratische Selbstverbiegung

Die Maut frisst ihre Erfinder. Jetzt streiten sie sich schon an der Spitze der CSU darüber.

Parteichef und Ministerpräsident Horst Seehofer rüffelt Joachim Herrmann. Dabei ist Herrmann als Verkehrsminister von Berufs wegen verpflichtet, sich Gedanken zu machen. Zum Beispiel darüber, ob die geplante Vignettenpflicht schon für die Nutzung der kleinsten Landstraße nicht Ausländer in grenznahen Regionen vom Einkaufsbesuch in Deutschland abhalten könnte.
Er steht damit nicht allein; Christdemokraten im Saarland, in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen haben dieses Bedenken auch schon geäußert. Da ist der Vorschlag, die Grenzkreise vielleicht von der Mautpflicht auszunehmen, den Herrmann laut dachte, doch nicht ganz weltfremd. Aber er würde das Gesamtkonzept ins Wanken bringen. Deshalb Seehofer Denkverbot.
CDU und CSU verbiegen sich wegen der Schnapsidee namens Maut immer mehr. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versteckt seine Ablehnung hinter dem Hinweis auf fehlende Kapazitäten beim Zoll. Und Kanzlerin Angela Merkel verleugnet schon ihr eigenes Wort. "Mit mir wird es keine PKW-Maut geben", hat sie im Wahlkampf gesagt, will heute aber gemeint haben, keine Maut, die die Autofahrer zusätzlich belastet und keine, die nicht europakonform sei. Auf das Letztere hoffen sie alle klammheimlich in der Union und jetzt wohl auch einige in der CSU: dass die EU die Pläne kippen möge. Auch für Horst Seehofer wäre das eine Lösung. Nach den Österreichern auf seinen Autobahnen sind die "Brüsseler Bürokraten" schließlich seine Lieblingsgegner. Und Gegner braucht er immer.
nachrichten.red@volksfreund.de

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