Clement will es nicht so gemeint haben

Wie bewahrt man Souveränität beim Einknicken? Im Plauderton. Wolfgang Clement tat gestern bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Bonn so, als kratze ihn der SPD-Parteiausschluss nicht besonders. Er wirkte äußerst gut gelaunt. Aber en passant stellte er klar, dass er nicht zur Nichtwahl von Andrea Ypsilanti in Hessen habe aufrufen wollen.

Berlin. Der ehemalige Wirtschaftsminister hat damit gegeben, was viele, nicht zuletzt die Parteispitze, von ihm gefordert hatten: ein Signal des Einlenkens.

Clement wäre nicht Clement, wenn seine Erklärung nicht Haken und Ösen hätte. Streitgegenstand ist sein Kommentar in der "Welt am Sonntag" kurz vor der Hessen-Wahl, in dem er Ypsilantis Position in der Energiepolitik kritisiert und dann formuliert hatte: "Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann und wem nicht. ". Das hatte die nordrhein-westfälische Schiedskommission als "Angriff auf die Wählbarkeit der SPD-Spitzenkandidatin" interpretiert und den früheren SPD-Vize ausgeschlossen. Clement sagte gestern, das Zitat gebe diese Interpretation nicht her. "Ich habe nicht zur Nichtwahl aufgerufen. Das ist einfach falsch." Jedoch habe er inzwischen begriffen, dass sich viele hessische SPD-Wahlkämpfer "möglicherweise" in ihren Gefühlen verletzt sähen. "So weit das der Fall ist, möchte ich dafür mein Bedauern ausdrücken. ".

In der Sache nahm Clement nichts zurück. Er werde auch weiterhin seine Meinung sagen. "Ich bin Sozialdemokrat und ich bleibe Sozialdemokrat", betonte Clement und ergänzte: "Das schließt ein Verhalten innerhalb der gegebenen Regeln ein."

Der Fall liegt nun bei der Bundesschiedskommission, die darüber voraussichtlich im Herbst entscheiden wird. Clement will deren Spruch akzeptieren und nicht vor die ordentliche Gerichtsbarkeit gehen.

Parteichef Kurt Beck zeigte sich erleichtert. Clements Erklärung sei "ein gutes Signal". Ähnlich äußerte sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Der Spitzenkandidat der bayerischen SPD, Franz Maget, sagte unserer Zeitung, Clement sei "einen großen Schritt" auf die SPD zugegangen. "Für mich ist die Sache damit erledigt." Clement gehöre in die SPD. Maget betonte, sein Rat sei stets gewesen, es bei einer Rüge zu belassen.

Auch Vertreter der Parteilinken signalisierten, dass sie Clements Erklärung als Entschuldigung verstehen.

Jedoch füllt noch ein zweiter SPD-interner Konflikt das Sommerloch: Hessen. Ex-Parteichef Rudolf Scharping meldete sich zu Wort und forderte die Parteiführung auf, "Alleingänge von Landesverbänden in national entscheidenden Fragen nicht zu dulden". Die SPD dürfe nicht "zu einem lockeren Club von Landesverbänden" werden und den "Linkspopulisten nicht hinterherrennen". Ypsilanti will sich mit den Linken treffen und am 13. August im SPD-Landesvorstand über die Koalitionsfrage beraten lassen. Die Fragen hinter Clement

Die Causa Clement sollte mit der gestrigen Erklärung des Delinquenten und einer Rüge beendet sein. Der Ex-Wirtschaftsminister würde sich schwer überschätzen, wenn er dächte, darüber hinaus der SPD eine Grundsatzdebatte aus dem Off des Politrentner-Daseins aufdrücken zu können. Hier geht es einzig und allein um einen Fehler, den er gemacht hat, als er indirekt zur Nichtwahl Andrea Ypsilantis in Hessen aufrief. Immerhin fand er noch die Biege hin zu einer halben Entschuldigung. Eine andere Frage ist, wie es kommt, dass ein selbstgerechter Altpolitiker, ein fundamentalistischer Ortsverein und ein offenbar schlecht geführter NRW-Landesverband die ganze Partei miteinander so in die Sommer-Bredouille bringen können. Und wieso Andrea Ypsilanti mit dem neuen Versuch einer von den Linken tolerierten Minderheitsregierung in Hessen nahtlos mit den Negativschlagzeilen weitermachen darf. Das alles trägt inzwischen schon Züge einer Groteske. Das Stück hat allerdings einen Titel: Führungslosigkeit. nachrichten.red@volksfreund.de

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