Kommentar Cyberbunker: Was für ein Prozess! Schön, dass es vorbei ist!

Trier · Unsere Redakteurin hat den Cyberbunker-Prozess mehr als ein Jahr lang begleitet. Vieles lief aus ihrer Sicht gut und verdient Respekt. Es gab allerdings auch unschöne Seiten...

Cyberbunker Traben-Trarbach - Kommentar zum Prozess am Landgericht Trier
Foto: TV/klaus kimmling

Was für ein Prozess! Juristisch und inhaltlich war das Cyberbunker-Verfahren eine riesige Herausforderung für alle Beteiligten. Aber auch logistisch. Denn die Sicherheitsvorkehrungen waren enorm und mussten dies auch sein. Schon alleine wegen der Corona-Pandemie:

Mehr als 40 Menschen kamen an 79 Verhandlungstagen in einem Raum zusammen. Bemerkenswert, wie es dem Gericht geglückt ist, mit Plexiglaswänden, guter Belüftung und Abstandsregeln dafür zu sorgen, dass das Gerichtsverfahren weitergehen konnte. Extrem wichtig war dies auch für die Angeklagten, die bereits seit September 2019 unter harten Pandemiebedingungen in Gefängnissen saßen. Sie hatten weniger Freigang und keinen Besuch in einem Land, dessen Sprache nicht alle beherrschen. Einer war sogar in permanenter Quarantäne. Wie viel Untersuchungshaft ist da zumutbar?

Zurecht verweist der Vorsitzende Richter Günther Köhler am Tag des Urteils darauf, dass „das Verfahren zeigt, dass unser Rechtsstaat selbst unter extremen Bedingungen handlungsfähig ist.“ Mit großer Sorgfalt, mit großer Ernsthaftigkeit und mit Akribie hat sich die Kammer in diesem Verfahren auf die Suche nach der Wahrheit gemacht und ist zu einem gut begründeten Ergebnis gekommen, dass sich auch für Laien nachvollziehen lässt.

Köhler lobt die vielen beteiligten Anwälte, die darauf verzichtet hätten, „sich in der Presse selbstdarstellerisch zu produzieren“. Natürlich gab es juristische Scharmützel. Aber keine, die den langen Prozess ernsthaft verlängert hätten.

Für die Generalstaatsanwaltschaft und die Ermittler fand der Vorsitzende Richter hingegen keine lobenden Worte. Immer wieder kritisierte er, dass es lange nach Prozessstart noch immer keinen Abschlussbericht der Ermittler gab, dass ihm wichtige Informationen fehlten, dass wiederholt geäußerte Vorwürfe der Anklage nicht zutreffend seien.

Respekt hat sich die Generalstaatsanwaltschaft dennoch verdient. Und zwar nicht zu knapp. Die Verzögerungen sind angesichts der unfassbaren Datenmengen, die ausgewertet werden mussten, nur verständlich. Die Ermittlungserfolge, die das Bunkerverfahren nach sich zog, sind beachtlich. Und die Abschreckung, die all das auf potenzielle Cyberkriminelle hat, ist das hoffentlich auch.

Respekt verdient die Anklage aber auch dafür, überhaupt angeklagt zu haben. Dies ist juristisches Neuland. Noch nie standen kriminelle Webhoster in Deutschland vor Gericht – also diejenigen, die bloß die Server bereitstellen, die Rechnerkapazitäten, mit Hilfe derer illegale Webseiten online sein können. Niemand konnte wissen, wie dieses Verfahren ausgeht – und das letzte Wort ist ja noch lange nicht gesprochen. Dass sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe mit alledem noch befassen wird, ist so gut wie sicher. Und wer weiß: Vielleicht packt der Gesetzgeber dann sogar die Rechtsprechung an, die es Webhostern aktuell ziemlich leicht macht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, wenn ihre Kunden kriminelle Geschäfte abwickeln.

Fraglich bleibt, ob die enormen Sicherheitsvorkehrungen, die aus polizeilichen Gründen getroffen wurden, nötig waren. Der vielleicht wichtigste Zeuge wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhört – obwohl seine Aussage per Video von einem unbekannten Ort aus mit optischer und akustischer Verschleierung übertragen wurde. Die Ermittler hatten einen Beamten als Gärtner eingeschleust. Was er zu sagen hatte, war sicher ebenso relevant wie spannend. Die Angeklagten kannten den Mann doch so oder so! Sie hatten ja mit ihm zusammen gearbeitet. Schade. Und schwer nachvollziehbar. Zumal niemand in diesem Verfahren jemals auch nur ansatzweise aggressiv oder gewaltbereit gewirkt hätte.

Jedes einzelne Mal mussten auch Journalisten Einlasskontrollen wie am Flughafen über sich ergehen lassen. Jedes einzelne Mal wurden Ausweiskopien gefertigt und Rucksäcke durchsucht. Mit Equipment rein kam nur, wer sich ganz am Anfang des Prozesses offiziell angemeldet hatte. Eine Praxis, die an der Realität von Redaktionen vorbeigeht. Fotos machen: Nur mit Erlaubnis. Und die gab es nur für ganz wenige. Dem Gericht Fragen zum Prozess stellen. Kann man machen, nur auf aussagekräftige Antworten hoffen sollte man in diesem Fall nicht. Dann das stundenlange Anstehen in der Kälte am ersten und am letzten Tag.

Daher mein persönliches Fazit: Schön, dass es vorbei ist. Jedenfalls vorerst. Je nachdem, was Karlsruhe entscheidet.

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