Das Recht des Mörders

Sind sie nur noch weltfremd und verantwortungslos? Erst die Täter, dann die Opfer, ist das neuerdings der Maßstab? Die Karlsruher Verfassungsrichter werden sich diesen Zorn nach ihrem gestrigen Urteil zur Sicherungsverwahrung zuziehen. Gemach.

Keinesfalls lässt das Gericht alle Sexualmörder morgen frei. Es gewährt dem Gesetzgeber sogar eine großzügige Übergangsfrist, obwohl die meisten Sicherungsverwahrten genaugenommen seit gestern zu Unrecht festgehalten werden. Karlsruhe verlangt aber, dass künftig auch bei Schwerstverbrechern der Rechtsstaat eingehalten wird. Das ist keine Prinzipienreiterei und keine Petitesse. Das Recht auf Freiheit der Person, das die Verfassungsrichter mit der bisherigen Form der Sicherungsverwahrung massiv verletzt sehen, gehört zu den unveräußerlichen Grundrechten. Sie sind die eigentliche Lehre aus Diktatur und Nazi-Barbarei. An keiner Stelle dürfen sie aufgeweicht werden.
Die Sicherungsverwahrung war eine Erfindung der Nazis, bei ihr wurde diese Lehre nicht gezogen. Im Gegenteil, sie wurde Jahrzehnt um Jahrzehnt fortgeschrieben. Vom "Wegsperren, aber für immer" des Gerhard Schröder bis zu der von den Ländern Bayern und Baden-Württemberg durchgesetzten nachträglichen Verhängung wurde sie nach Belieben noch verschärft, wann immer der Stammtisch danach rief. Nebenbei wurden dabei weitere zentrale Grundsätze unseres Rechtssystems verletzt, das Willkürverbot und das Verbot der Doppelbestrafung. Damit ist nun Schluss.
Trotzdem gilt: Viele Sexual- und Gewaltstraftäter, die nicht therapierbar sind, sind Monster in Menschengestalt. Die Gesellschaft muss vor ihnen geschützt werden. Diese schwierige Sicherheitsabwägung halst Karlsruhe nun den Politikern auf, die das Gesetz zu reformieren haben. Allerdings hat das Gericht einige Kriterien formuliert. Das Wegsperren darf demnach nur noch bei höchster Gefahr angeordnet werden und muss mit Therapieangeboten verbunden sein. Abstandsgebot zur Strafhaft nennen das die Richter. Freilich hätten sie ruhig auch ein Wort an die eigenen Reihen richten dürfen. So wie die Sicherungsverwahrung häufig leichtfertig verhängt wurde, so wurden auch häufig ebenso leichtfertig Täter mit entlastenden Psycho-Gutachten wieder auf ihre nächsten Opfer losgelassen. Es fehlte und fehlt auf vielen Ebenen der Justiz an Verantwortungsgefühl und Engagement für einen sachgerechten Umgang mit Schwerstkriminellen.
Es dürfte daher noch ein langer, komplizierter und auch teurer Weg sein, bis sich hier ein neues System etabliert hat, das verfassungsfest ist und zugleich den Menschen Sicherheit gibt.
nachrichten.red@volksfreund.de

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