Das Rettungsdilemma

Um es vorwegzunehmen: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist keine Überraschung. Der Rettungsmechanismus und der Fiskalpakt dürfen, mit ein paar Vorbehalten, unterschrieben werden.

Politiker entspannen sich, die Finanzmärkte nehmen die Entscheidung freundlich auf.
War es das? Eigentlich sollte gestern in Karlsruhe über das Verhältnis von Europa zur deutschen Demokratie verhandelt werden. Doch schon vor dem Urteil war klar, dass es in diesem Europa der Finanzkrise nicht mehr auf Demokratie ankommt. Denn gehandelt wird mittlerweile an anderen Stellen. Die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) werden Deutschland Schuldenlasten und Stabilitätsrisiken von ungeahnten Dimensionen bescheren. Weder die Bundestagsabgeordneten noch die Bundesregierung sind dazu befragt worden. Dabei ist das noch nicht einmal ein Verfassungsbruch, weil selbst das deutsche Grundgesetz vorschreibt, dass Notenbanken von jeglicher politischer Einflussnahme unabhängig agieren sollen. Wenn das eigentliche Rettungsgeschäft nicht über den ESM, sondern über die Zentralbank läuft, muss die Karlsruher Forderung nach einer Mitbestimmung des Bundestages bei allen Rettungsaktionen ins Leere laufen.
Über zwei wichtige Fragen hatte das Gericht gestern zudem gar nicht zu urteilen. Um Antworten darauf drückt sich die Politik bislang erfolgreich. Erstens: Wer bezahlt für die Rettung des Euro? Und zweitens: Was bringt den Bürgerinnen und Bürgern überhaupt eine Euro-Rettung?
Denkbar einfach ist die Antwort auf die erste Frage. Es ist der Steuerbürger, der zahlt, allerdings ohne zu wissen wofür. Dafür nimmt er Einschnitte ins Sozialsystem hin, wie im aktuellen Haushaltsentwurf von Finanzminister Wolfgang Schäuble zu lesen ist. Oder er muss hohe Sozialversicherungsbeiträge zahlen, damit die Regierung ihre Steuerzuschüsse kürzen kann. Auf der anderen Seite leidet er bei seiner Lebensversicherung, mit der er die Altersarmut bekämpfen soll unter sinkenden Renditen. Ein Grund hier: Die künstlich niedrig gehaltenen Zinsen in der Euro-Zone.
Die Antwort auf die zweite Frage ist erschreckend: An der Euro-Rettung hängen die Finanzmärkte und die haben uns längst in der Hand, sei es als Gläubiger von Staaten, oder als Treuhänder für unser Erspartes. Wenn nach einem Euro-Kollaps das Finanzsystem zerbricht, dann sind alle Anleger betroffen, deren Spargroschen auf der Bank vergehen.
Die Verfassungsrichter haben mit ihrer Entscheidung vor allem die Grenzen der Politik aufgezeigt. Auf der anderen Seite haben sie dem Euro-Raum Zeit gewährt, um die Währungsunion zu retten. Diese Zeit sollten die Euro-Regierungen für eine erforderliche Stabilisierung des Euros nutzen.
t.zeller@volksfreund.de

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