Das siebte Element

Man sollte diese Nachricht nicht unterschätzen. Falls es den Freien Wählern organisatorisch tatsächlich gelingen sollte, 2013 bei der Bundestagswahl überall mit Kandidaten anzutreten, dann kann die FDP endgültig einpacken.

Und die Union hat ein Problem. Jetzt beginnt auch im bürgerlichen Lager die Phase der Kannibalisierung, die es links längst gibt. Dort konkurrieren inzwischen vier Parteien, neben der SPD, den Grünen und den Linken neuerdings auch noch die Piraten. Rechts werden es dann drei sein. Union, FDP und Freie Wähler.
Wie eine Wahl mit sieben aussichtsreichen Parteien ausgeht, ist völlig ungewiss. Zumal die Freien Wähler genau wie auch die Piraten eine Gruppe ansprechen, die sich von der Politik eigentlich schon ganz entfernt hatte: die Nichtwähler. An der Piratenpartei konnte man schon sehen, wie groß dieses Potenzial ist und wie leicht es sich bewegen lässt. Schon die Aussage, anders zu sein als die anderen und noch nicht genau zu wissen, was man will, reichte für phänomenal viele Stimmen.
Diese Spontaneität haben die Freien Wähler auch drauf, sie aber bedienen noch eine andere Klientel: Wähler der bürgerlichen Mitte, die schon seit Jahren Frust schieben. In diesem Lager lag eine Neugründung in der Luft. Zu viel Unzufriedenheit hatte sich angesammelt. Lange hatte man gedacht und befürchtet, dass das ausgedörrte Feld an der rechten Ecke in Brand gesetzt werden würde, mit einem ausländerfeindlichen Motiv. Thilo Sarrazin war ein potenzieller Initiator. Statt der Brandstifter kommen nun die Biedermänner, die Angst um ihr Erspartes haben. Griechen raus, Banken beteiligen, kein deutsches Geld für südeuropäischen Schlendrian, keine Schuldengemeinschaft, wir wollen die D-Mark wiederhaben - eine Partei, die genau diese Positionen propagiert und ansonsten allgemein den "gesunden Menschenverstand" in ihr Programm schreibt, hat gegenwärtig Potenzial.
Beide großen Volksparteien sind von den jüngsten Erweiterungen des politischen Spektrums betroffen, allerdings wahrscheinlich nicht gleich stark. Die SPD ist bisher von den Piraten nur indirekt tangiert, weil diese dem Koalitionspartner Grüne Stimmen abnehmen. Die CDU aber könnte anders als die Sozialdemokraten direkt Verluste durch das Auftauchen der Freien Wähler erleiden. Das könnten angesichts der nun wahrscheinlicher werdenden Großen Koalition am Ende genau jene Stimmen sein, die darüber entscheiden, welche der beiden Parteien die stärkere ist, also den Kanzler stellt. Oder die Kanzlerin.
nachrichten.red@volksfreund.de

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