Der Herr der guten Zahlen

Für Rainer Brüderle gibt es gute Gründe, sich trotz aller Umbauarbeiten bei den Liberalen an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums zu behaupten: Mit so schönen Botschaften wie er kann derzeit kein anderer Ressortkollege im schwarz-gelben Kabinett aufwarten. Anhaltendes Wachstum, sinkende Arbeitslosigkeit, steigende Löhne, damit lässt es sich bequemer (über)leben.

Dass Brüderle bei seinen Prognosen sogar noch unter den Vorhersagen führender Wirtschaftsfachleute bleibt, hat viel mit politischer Taktik zu tun. Kommt es am Ende noch besser, ergibt sich womöglich auch Spielraum für Steuersenkungen. Dieses liberale Kernthema hat Brüderle längst noch nicht ad acta gelegt. Und gerade im Aufschwung dürfte das Verständnis dafür eher wachsen.

Von jedem Lohnplus behält der Fiskus einen überproportional wachsenden Anteil ein. Im Fachjargon heißt das kalte Progression. Selbst die führenden Wirtschaftsinstitute mahnen in ihrem aktuellen Gutachten bei aller Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung einen "Tarif auf Rädern" an. Durch eine solche Gleitklausel bliebe den Arbeitnehmern mehr von einer Gehaltserhöhung übrig.

Viel mehr als eine symbolische Entlastung könnte daraus aber trotzdem kaum werden. Das muss auch Brüderle klar sein. Schließlich sind die Risiken für den Bundeshaushalt erheblich. Keiner weiß, wie teuer Deutschland der Euro-Rettungsschirm noch kommen wird. Klar ist nur, dass Deutschland mit seiner exportorientierten Wirtschaft am meisten verliert, wenn die europäische Einheitswährung scheitert. Steigende Löhne wären dann jedenfalls kein Thema mehr, wohl aber wachsende Beschäftigungslosigkeit. Solche Botschaften will Brüderle nun wirklich nicht verkünden.


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