Der Imageschaden bleibt

Trifft es wirklich zu, dass die Justiz gerne die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt? An deutschen Stammtischen wird dies oft und gerne kolportiert. Und auch der Verteidiger des gestern verurteilten ehemaligen Uni-Mitarbeiters stieß in das gleiche Horn, als er meinte: "Den Letzten beißen die Hunde." Die wahren Verantwortlichen würden in dem Untreue-Prozess nicht zur Rechenschaft gezogen.Fakt ist: Der lange Zeit für die Betreuung ausländischer Studierenden zuständige Uni-Mitarbeiter hat das "Schwarze-Kassen-System" zwar von seiner Vorgängerin übernommen.

Aber für eigene Belange Geld abgezweigt hat erst der heute 57-Jährige. Vor allem deshalb ist er vom Trierer Amtsgericht zu Recht verurteilt worden - zu einer, zugegeben, deftigen Strafe. Denn wer als bis dato unbescholtener Zeitgenosse wegen eines Fehltritts vor dem Kadi landet, kommt beim ersten Mal meist mit einer Bewährungsstrafe davon. Der ehemalige Uni-Mitarbeiter dagegen bekommt zwar einen kleinen Nachlass, weil es bis zum Prozessbeginn so lange gedauert hat, aber ins Gefängnis soll er dennoch. Möglicherweise wird das bei einer wahrscheinlichen Neuauflage des Prozesses korrigiert.

Fakt ist auch, dass sich die damals zuständige Uni-Leitung nicht mit Ruhm bekleckert hat: Die Verantwortlichen wussten von der unkonventionellen, ja illegalen Buchführung und waren auch frühzeitig über defizitäre Konten informiert. Wäre diesem Treiben rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben worden, hätte sich der Schaden wahrscheinlich in Grenzen gehalten. Juristisch ist dieses Aussitzen und Wegschauen offenbar nicht zu ahnden. Was bleibt, ist aber ein großer Imageschaden für die Uni und eine gehörige Portion Zweifel an der Kompetenz vieler Verantwortlicher. Weil der Prozess vor aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde, ist auch das eine Form der Bestrafung.

r.seydewitz@volksfreund.de

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