Der Kampf um den Nachwuchs

Eigentlich ist die Situation am regionalen Ausbildungsmarkt ganz hervorragend. Junge Menschen können sich mit einem guten Haupt- oder Realschulabschluss ihren Ausbildungsbetrieb fast beliebig aussuchen.

So weit die Statistik, die belegt, dass immer weniger Bewerber auf mehr Ausbildungsstellen treffen.
Die Realität ist vielschichtiger. Denn viele Chefs jammern, dass sie keine ausbildungsfähigen Jugendlichen mehr für eine Lehre finden. Seit Jahren schon leiden die Hotel- und Gaststätten unter akutem Nachwuchsmangel. Die Abbrecherquote in dieser Branche ist mit bis zu 30 Prozent viel höher als in anderen Branchen. Der Hauptgrund liegt auf der Hand: unattraktive Arbeitszeiten. Auch Metzger und Bäcker haben es aus ähnlichen Gründen nicht leicht, ihre Lehrstellen zu besetzen. Doch zunehmend finden auch Metallbetriebe, Elektroinstallateure oder Optiker keinen Nachwuchs. Warum? Wer für diese anspruchsvollen Ausbildungsberufe qualifiziert und damit gut in Mathe und Physik ist, kann sich auch als Ingenieur eine Zukunft ausrechnen.
Doch ohne geeigneten Nachwuchs wird die regionale Wirtschaft in einigen Jahren dahindarben. Schon deshalb kämpfen die Wirtschaftskammern und Arbeitsagenturen an mehreren Fronten.
Zunächst einmal hat HWK-Präsident Rudi Müller die Losung ausgegeben, niemand darf mehr durch den Rost fallen. Möglichst alle Jugendlichen sollen ein Ausbildungsangebot bekommen und, wenn sie auf dem Weg zum Abschluss schwächeln, wird ihnen geholfen. Das passiert aktiv durch die Arbeitsagentur, die schwachen Jugendlichen die Nachhilfe finanziert, und durch aktive Netzwerke, wenn Berufsschulen den Firmen viel schneller und direkter den Hinweis auf Problem-Jugendliche geben. Diese Ansätze gehen in die richtige Richtung.
Damit der dualen Ausbildung aber unter dem demografischen Druck nicht die Puste ausgeht, braucht das deutsche Lehrlingsmodell auch wieder eine höhere gesellschaftliche Anerkennung. Die meisten Eltern planen für ihre Sprösslinge eine Berufskarriere, die mit dem Abitur oder der Hochschulreife startet. Inzwischen ist der Durchschnitts azubi 19,3 Jahre alt, wenn er seine Lehre beginnt. Doch umgekehrt wird ein Schuh daraus: erst Ausbildung, dann Meister oder Studium, wer diesen Weg schafft, ist meist ein gemachter Mann oder eine gemachte Frau.
Für die Betriebe aber gilt: Wer kein attraktives Ausbildungsumfeld schafft, sägt den Ast ab, auf dem er sitzt. Durchschnittlich 600 Euro verdient ein Lehrling im Monat, doch die Spannweite geht je nach Branche von unter 200 bis fast 1000 Euro. Die Bezahlung ist das eine, doch ein gutes Betriebsklima, Weiterbildung, Perspektiven und nicht zuletzt, wie der Chef mit seinen Leuten umgeht, sind Punkte, die für gute Ausbildungsbetriebe sprechen. Kammern, Arbeitsagentur, Betriebe und Gesellschaft sind gefragt, damit die heimische Wirtschaft auch in zehn Jahren noch brummt - mit gut ausgebildeten Fachkräften.
h.waschbuesch@volksfreund.de

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