Der Landtag ist nicht die Bundesliga

Bei Punktgleichheit entscheidet das Torverhältnis. Dieses Prinzip kennt jeder, und darauf setzt in Nordrhein-Westfalen die Union, wenn sie zu Beginn der Verhandlungen über die mögliche Bildung einer großen Koalition darauf verweist, dass sie genau 5882 Stimmen mehr erhielt als die SPD.

Mithin müsse sie den Ministerpräsidenten stellen.

Doch die Politik ist nicht die Bundesliga. Ein Ministerpräsident wird nicht nach einer Tabelle bestimmt, sondern von Abgeordneten gewählt. Das ist nun einmal das Prinzip der repräsentativen Demokratie; sonst müsste man den Regierungschef per Direktwahl suchen. CDU und SPD haben im Düsseldorfer Parlament beide 67 Sitze. Gleichstand ist Gleichstand. Weder kann die Union aus ihrem Vorsprung bei den Nettostimmen einen automatischen Anspruch auf das Regierungsamt ableiten, noch die SPD ihn aus der Tatsache, dass Amtsinhaber Jürgen Rüttgers bei der Wahl so abgestraft wurde.

Sicher, moralisch hätte Hannelore Kraft im Moment den stärkeren Anspruch. Zum Beispiel weil sie ziemlich souverän der Verlockung eines Linksbündnisses widerstanden hat, und Rüttgers sich für seine böse Rote-Socken-Kampagne gegen sie bis heute nicht entschuldigte.

Aber die Union kann nicht freiwillig verzichten; das ginge gegen die Ehre der Partei - und gegen den Auftrag ihrer Wähler. Entweder es gibt eine israelische Lösung, also Halbe-Halbe, oder doch eine Ampel-Koalition oder Neuwahlen.

Eines aber ist bei alledem am Unwahrscheinlichsten: Dass Jürgen Rüttgers mit seinen 5882 Stimmen Vorsprung eine Art Ministerpräsident nach Torverhältnis wird.

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