Der Murks der SPD

Die neue Bundesarbeitsministerin hörte gestern schweigend zu, als der Bundestag in einer Aktuellen Stunde über das Reizthema Rente debattierte. Vielleicht wollte Andrea Nahles noch ein letztes Mal ihre Nerven schonen.


Denn was jetzt mit dem von ihr selbst kreierten Gesetzentwurf zur Reform der Altersbezüge auf die SPD-Politikerin zurollt, ist geballter Ärger. Auch in ihrer eigenen Partei.
Schon im Wahlkampf hatten führende Sozialdemokraten die abschlagfreie Rente mit 63 als einen Akt zur Wiedergutmachung an der vormals beschlossenen Heraufsetzung des Renteneintrittsalters überhöht. Und in keiner Rede, die Sigmar Gabriel nach dem Wahltag hielt, um das Parteivolk für die Zustimmung zur ungeliebten großen Koalition zu gewinnen, fehlte der Hinweis auf die großzügige Anrechnung möglicher Arbeitslosigkeit.
Dies entpuppt sich nun als Etikettenschwindel. Viele SPD-Mitglieder, die beim Basis-Entscheid mit Ja gestimmt haben, dürften sich jedenfalls verschaukelt fühlen. Denn wer länger ohne Job war, wird von der Rente mit 63 nichts haben. Die Union, eigentlich nur mäßig begeistert von der Rückkehr zur Frühverrentung, hätte sich noch für maximal fünf Jahre Arbeitslosigkeit bei der rentenrechtlichen Anrechnung erwärmen können.
Doch Nahles verschärft diese Maßgabe sogar, indem sie nur Bezugszeiten von Arbeitslosengeld I gelten lassen will. Man wird vermutlich ziemlich lange suchen müssen, um Leute zu finden, die während ihrer Erwerbsbiografie auf fünf Jahre Arbeitslosengeld I kommen. Kann es sich dabei doch nur um jeweils kurzzeitige Phasen der Arbeitslosigkeit handeln. Die Realität sieht häufig anders aus. Damit wird auch die soziale Schieflage der angepeilten Regelung offenkundig. Von der abschlagfreien Rente mit 63 werden besonders jene profitieren, die auch ohne sie auskömmliche Altersbezüge erhalten hätten.
Der Plan birgt überdies die Gefahr, dass sich Betriebe ihrer älteren Belegschaft noch deutlich früher entledigen könnten als jetzt. Nämlich dann, wenn die maximale Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I unmittelbar vor dem 63. Lebensjahr ausgeschöpft wird. Für die Generation 58 plus sind das immerhin zwei Jahre am Stück. Ein Betroffener wäre auf diese Weise sogar schon mit 61 auf dem Abstellgleis. Kann sich das eine alternde Gesellschaft wirklich leisten? Wohl kaum.
Jetzt ist der Gesetzentwurf in der Diskussionsphase. Das ist eine gute Gelegenheit, um den größten Murks in der Vorlage zu beseitigen.
Die Rente mit 63 torpediert alle politischen Beschwörungen, wonach eine längere Lebensarbeitszeit notwendig ist, um die Renten auf Dauer bezahlbar zu halten. Die SPD jedoch führt einen Eiertanz auf. Sie führt ihre Basis hinters Licht. Andrea Nahles wird noch viel zu erklären haben.
nachrichten.red@volksfreund.de

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