Der Osten im Westen

An vielen Menschen in Deutschland geht der wirtschaftliche Aufschwung vorbei. Diese pauschale Erkenntnis ist nicht neu, wird aber durch eine aktuelle Untersuchung des Paritätischen Wohlfahrtverbands noch einmal nachdrücklich bestätigt.


Also alles wie gehabt? Nicht ganz. Auffällig sind die regionalen Verschiebungen. Hier der arme Osten, dort der reiche Westen - diese Schubladen funktionieren nicht mehr. In Brandenburg und Thüringen und selbst in Teilen Mecklenburg-Vorpommern ging die Armutsgefährdungsquote seit 2005 spürbar zurück. Die vielen Milliarden für den Aufbau Ost sind also nicht nutzlos im Sande versickert, wie es gelegentlich immer noch behauptet wird.
Dagegen scheint Nordrhein-Westfalen die neue Sorgenregion zu werden: Besonders im Ruhrgebiet liegt die Zahl der Hartz-IV-Empfänger zum Teil um mehr als das Doppelte über dem Bundesdurchschnitt. In der Konsequenz kann das nur heißen, bei der Förderpolitik umzudenken: Für Hilfen zur Ansiedlung von Unternehmen ist nicht die Himmelsrichtung entscheidend, sondern der tatsächliche Bedarf. Und der kann selbst innerhalb eines Bundeslandes sehr unterschiedlich sein.
Der Bundesregierung generell Untätigkeit bei der Armutsbekämpfung vorzuwerfen geht gleichwohl an den Tatsachen vorbei. Mittlerweile gelten für etwa vier Millionen Arbeitnehmer verbindliche Mindestlöhne. Ohne diese Maßnahme wäre das Armutsrisiko vielerorts noch deutlich höher.
Richtig ist aber der Vorwurf, dass die Politik von Schwarz-Gelb an dieser Stelle widersprüchlich, zum Teil sogar kontraproduktiv ist. Das gilt vor allem für die beschlossenen Einsparungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Dabei ist ein ordentlicher Job die beste Versicherung gegen Armut in Ost wie West und Nord und Süd.

nachrichten.red@volksfreund.de

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