Der Problemdruck ist noch nicht groß genug

Die G 20 und der Zustand der Welt.

 Werner Kolhoff

Werner Kolhoff

Foto: Mathias Krohn

Die Erwartung, dass der Hamburger G-20-Gipfel einen Beitrag dazu leisten werde, die Probleme der Welt zu lösen, ist naiv. Nein, das wird er nicht. Diese 20 haben wenig gemeinsam, schon gar nicht die Absicht, unter Zurückstellung eigener Interessen etwas für die Menschheit zu tun. 2008 schien das für einen Moment anders, aber da ging es um die eigenen Finanzindustrien. Beim Rest - Klima, Unterentwicklung, Kriege - ist der Problemdruck nicht groß genug für wirkliche Kollektivität. Noch nicht.

Trotzdem müsste man die G-20-Treffen erfinden, wenn es sie nicht schon gäbe. Denn es ist ja nicht nur diese zweitägige Showveranstaltung mit Protz-Präsidenten in Protz-Limousinen. Ihr geht ein intensiver Dialog über fast ein ganzes Jahr voraus, der viele Regierungsebenen, Parlamentarier, Wirtschafts- und Gewerkschaftsverbände sowie Nichtregierungsorganisationen einschließt. Es ist wie ein ständig tagender UN-Weltsicherheitsrat oder wie ein Dauer-Weltwirtschaftsforum in Davos. Nur dass das G-20-Format nicht begrenzt ist auf enge Themenkomplexe. Außerdem ist dieses Forum gezwungen, jährlich einmal irgendwie ein gemeinsames Papier zu verfassen, also einen Minimalkonsens zu finden. Es wäre nicht gut, das alles - wie von Außenminister Sigmar Gabriel vorgeschlagen - in New York, am UN-Sitz, zu institutionalisieren. Dort würden die Treffen bald Routine werden, den Botschaftern überlassen - und an Bedeutung verlieren.

Fortschritte finden bei den G 20 immer nur millimeterweise statt und werden, siehe Klimaabkommen, dann von irgendwelchen Hornochsen bald wieder eingerissen. Hamburg wird da auch nicht besser sein, sondern eher schlechter. Aber wenn in diesem Rahmen nicht geredet werden würde, würde überhaupt nirgendwo mehr geredet werden über die Verantwortung der 20 größten Volkswirtschaften für die Welt. Und diese Verantwortung haben sie, ob als größte Ressourcenverbraucher, CO-Emittenten, Waffenexporteure, aber auch als größte Entwicklungshelfer. Außerdem geht es um direkte, bilaterale Kontakte. Dass Donald Trump mit Wladimir Putin zusammentrifft, vielleicht auch mit dem chinesischen Präsidenten, ist diesmal wahrscheinlich wichtiger als alle Ergebnisse der Arbeitssitzungen zusammen.

Nicht zuletzt: In jedem Jahr bieten die Treffen einen Blick auf die politische Reife der Welt. Und da sieht man auf der einen Seite, dass es anno 2017 um die Vernunft der Führer der großen Nationen schlechter bestellt ist als zuvor. Das Potentatentum ist modern geworden mit Trump, Erdogan, Putin und Xi. Ebenso die Konkurrenz der Nationen statt Partnerschaft. Die ungehemmte Art des Wirtschaftens und des Umweltverbrauchs wird noch weniger hinterfragt als früher.

Auf der anderen Seite aber zeigen die massiven Proteste, dass viele Menschen das nicht mehr hinnehmen wollen. Die Bilder davon gehen auch um die Welt und sind, solange die Proteste friedlich bleiben, eine mindestens ebenso wichtige Nachricht aus Hamburg wie das Gruppenfoto der Mächtigen.

nachrichten.red@volksfreund.de

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