Der Schwadroneur

Es ist ein Kreuz mit diesem Kandidaten. Immerzu reißt er hinten ein, was er vorne gerade aufgebaut hat.

Der vergangene Sonntag war dafür ein Beispiel, wieder mal. Im Fernseh-Sommerinterview, da, wo die Kamera und ein Millionenpublikum für Disziplin sorgen, machte Peer Steinbrück bella figura. Beim Thema Späh-Skandal ergriff er die Gelegenheit. Steinbrück würde den Amerikanern zeigen, was klare Kante ist und deutsches Recht und deutsche Souveränität durchsetzen. So wie einst Gerhard Schröder.
Genau das ist die Chance des SPD-Herausforderers, sich von der so beliebten Angela Merkel abzusetzen: indem er seine Stärken ihren Schwächen gegenüberstellt. Seine Entschlossenheit und seinen Klartext ihrem ständigen Ausweichen. Sich selbst positiv präsentieren, ohne die Amtsinhaberin herabzuwürdigen, das wäre vielleicht ein Weg in diesem so schwierigen, fast aussichtslosen Wahlkampf.
Aber das kann Steinbrück nicht. Er muss immer auch noch ein bisschen triumphieren. Man erinnere nur an die Kavallerie-Äußerung gegen die Schweiz oder den Clown-Spruch gegen Italiens Politiker. Steinbrück liebt seinen Humor. Freilich lacht er immer öfter als Einziger. Und so setzt er am gleichen Tag bei einer anderen Veranstaltung auf die durchaus diskutable Aussage, dass Angela Merkel eine Europapolitik ohne Leidenschaft betreibe, noch die perfide Vermutung, das liege an ihrer ostdeutschen Herkunft. Das ist ein persönlicher Angriff. Einer, der sie als Ostdeutsche trifft, also alle Ostdeutschen.
Die These ist nur haltbar, wenn man Europa mit Westeuropa verwechselt. Und wenn man nichts von den Freiheitssehnsüchten der Menschen jenseits der Mauer weiß, die Angela Merkel ganz gewiss geteilt hat. Außerdem zeigt der Satz, dass da einer Kiel, Hamburg oder Bonn, die Orte seiner eigenen Sozialisation, für das Zentrum des Denkens hält. Diese These ist westdeutsch-chauvinistisch. Und auch noch dumm, weil sie dem eigenen Wahlkampf in den neuen Ländern schadet.
Es gibt einen Trost. Steinbrück meint es meist gar nicht so. Er ist ein Gelegenheits-Schwadroneur, ganz ähnlich wie es Guido Westerwelle lange war, der sich auch gern selbst reden hörte, bis ihm die spätrömische Dekadenz herausrutschte.
Westerwelle hat inzwischen kapiert, dass er seine Worte wägen muss, erst recht als Außenminister. Steinbrück will Kanzler werden. Er sollte seine Wahlkundgebungen besser nicht nach seinem bisherigen Lieblingsformat - Mikrofon, freie Rede, Dialogatmosphäre - gestalten, sondern sich vorstellen, es schaue auch da ein Millionenpublikum zu.
nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort